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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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wirken und tat es auch. Karierte Tischdecken lagen auf, das Silber auf den hübschen Tischen glänzte, die schweren dunkelroten Vorhänge vor den niedrigen Fenstern hielten den Raum kühl und dunkel. Der Mensch hinterm Tresen schien Teil der Einrichtung, denn er war der bleichste Kalifornier, der mir je begegnete. Ein riesiger Kerl, breit und imponierend, und leuchtete richtig. Weiße Haare, weißes Hemd und weiße Krawatte. Weiße Haut. Nicht hellrosa, nicht gelblich, sondern weiß. Wie verstorben, seit Jahrzehnten keine Sonne mehr gesehen. Er nickte uns zu. Ignacio nickte zurück. Verblüffend, was für große Augen der gemacht hatte, als wir durch die Tür traten.
     
    Es war noch früh – nichtmal halb fünf. Viel zu früh fürs Abendgeschäft. Ein Tisch war belegt, ein einsamer Nachmittagstrinker saß hinten an der Bar. Ansonsten Leere. Wir setzten uns an einen Tisch am Fenster, ich holte aus der Ecke an der Garderobe einen Kindersitz, damit Ricky schön sicher sitzen konnte. Am Kellner sah man, dass das Abendgeschäft noch nicht begonnen hatte. Der hatte die Hemdsärmel hochgekrempelt und stellte blaue Arme zur Schau. Besonders hübsch war das große Hakenkreuz auf seinem Unterarm, mit dem Zusatz USA-SS auf einem Banner darunter. Mein Freund wusste gleich, wo der die Zierde herhatte. „California Men´s Colony in San Luis?", fragte er. Der dürre Typ nickte, lächelte etwas schüchtern und nannte Ignacio Sir. Der kannte einen Bullen auf Anhieb, auch wenn der Bulle eine Kutte trug. Wir bestellten Kaffee und für Ricky eine Schüssel Erdbeeren.
    Ignacio lächelte mir zu. „Staunst du, was?“ Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich staunte. „Pennerverein", sagte er, als er das Personal betrachtete. War gegen Galgenvögel allergisch, hat er mir mal erzählt. Das hatte sich wohl trotz seiner höheren Weihe nicht geändert.
    Dann gab er sich einen Ruck. „Hör mal, die Typen hier wissen sowieso, dass du wieder in der Gegend bist. Also wollen wir ihnen zeigen, dass du keine Angst hast. Und dass du nicht allein bist. Mich kennen die Geier in der Gegend natürlich, wenn ich sie auch nicht alle kennen kann. Alte Cops wissen oft nicht, wie vielen Leuten sie noch immer den Schlaf rauben. Erstaunlich. Und deshalb will ich, dass sie genau wissen, dass es ihnen an den Kragen geht, wenn sie dir krumm kommen.“
    Er war der ehemalige Greifer, also musste er´s wissen. Mir ging nach wie vor die Muffe, aber irgendwann sollte man sich damit abfinden, dass das Leben eine sehr unsichere Sache ist.
    „Also lache, sei lustig. Mache nicht so ein Gesicht.“
    Worüber ich tatsächlich lachen musste. Er auch. Was soll´s? Kopf runter und durch.
     
    Wir erzählten Belangloses, unterhielten uns mit Ricky, der unbedingt wissen wollte, warum er nicht draußen spielen durfte, und tranken unseren Kaffee. Die Erdbeeren waren prima; aus eigenem Anbau, Sir, sagte der bunte Kellner. Ricky mochte auf einmal keine Erdbeeren mehr, also aßen wir sie.
     
    Und dann ging die Tür neben der Bar auf und mein alter „Freund“ Milton VanDeKamp trat ein. Arschkriecher, Ex-Cop, Kneipier, Wohltäter der aktiven Pismoer Bullen. Hasste mich, seit wir zusammen die Schulbank drückten und ich immer genau das tat, wozu er den Mut nicht aufbrachte. Milt, der mir jahrelang in der Hoffnung nachschlich, mich beim Kiffen zu erwischen. Oder, Traum aller Träume, beim Dealen. Und nie schnell genug war.
    „Jon!", flötete er und streckte mir die Pranke hin. „Wie schön, dich hier zu sehen! Ich hörte kürzlich, dass du in der Gegend bist.“ Ignacio bekam auch die Wirtshand verpasst. „Milton,“ stellte er sich vor, „Wirt dieser bescheidenen Pinte".
    „Wir kennen uns doch", sagte Ignacio unverschämt. „Ich war Detektiv oben in Monterey, ehe ich mich umzog.“ Und lächelte ihn an. Milt tat, als müsse er angestrengt nachdenken. „Ach ja, klar. Natürlich. Der Herr......“
    „Genau,“ strahlte Ignacio. „Und warum haben Sie den Dienst verlassen? Waren doch noch nicht pensionsreif?“
    Milton zog einen Stuhl heran und setzte sich. „Ach, ich habe jemanden kennen- und lieben gelernt. Da habe ich mich vorzeitig pensionieren lassen und bin hier eingestiegen. Ich vermisse oft die Kameradschaft, die Aufregung, aber manchmal geht´s hier auch aufregend zu,“ scherzte er, „wenn die Reisebusse kommen und unsere Küche durchdreht.“
    „Wie bei uns,“ ging Ignacio auf das Geschwätz ein. „Wenn die Besucher kommen und Leute umlegen

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