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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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über die Ziegeldächer der Mission, die Blüten waren noch immer offen, dufteten und leuchteten, Ignacio faselte vor lauter Erleichterung alles mögliche und ich war auch in entsprechender Blödellaune. Wenn das so weiterging, waren wir zum gemeinsamen späten Abendessen high.
     
    Zwei Herren bogen um die Ecke. Ich kannte beide. Winston, mit breitem Grinsen und Kofi, Penner aus der Chinesenstadt Locke. Kofi, der bei Al The Wop an der Bar schlief, dicht eingehüllt in einen schweren Uniformmantel aus stinkender Wolle. Den trug er noch immer, die Dreadlocks standen nach wie vor wild von seinem schmalen Kopf ab und die Augen leuchteten noch immer leicht irre zwischen Bart und Haupthaar.
    „Wo kommt der denn her?", wollte ich dann auch leise von Winston wissen, statt einer Begrüßung. Ignacio trat verblüfft zurück, im Durchgang zur Gebäudefront standen zwei Franziskaner und schauten ängstlich auf den schwarzen Vagabunden, und Winston wollte sich ausschütten vor Lachen. Kofi fluchte halblaut brummelnd vor sich hin.
    Ich schaute ihn noch mal an. Eigentlich zum Ersten Mal richtig. Man sieht ja keinem Penner ins Antlitz; wir schämen uns alle vor einem, dem es so beschissen geht, denn wir haben alle das unbestimmte Gefühl, daß wir an seiner Statt da stehen könnten. Jedenfalls sah ich richtig hin und wusste plötzlich mit mehrtägiger Verspätung woher ich ihn kannte, den schnieken schwarzen FBI-Mann von meiner Haustür. Kofi von der Touristenkneipe.
     
    Also zog Kofi den schmuddligen Mantel aus, nahm den Bart ab, band die Haare wieder hinterm Kopf fest und lachte dabei mit uns allen, die den herrlichen Witz genossen. Ein so schicker Justizangestellter als halbverrückter Rasta. Lustig. Und wie er die Leute hinters Licht führte! Sehr lustig. Zum Ausschütten.
     
    Winston ergriff das Wort. „Ich habe ja gezweifelt, ob sich Schuldlosigkeit überhaupt beweisen lässt. Aber dann schickte mir Jah den Brother hier. Den du als Kofi kennst. Kofi tauchte am vergangenen Dienstag bei mir auf. Klopfte einfach an meine Bürotür in Kingston, was selten jemand tut. Und dann erzählte er...“
    Kofi, scheint es, erzählte eine Menge Interessantes. Erst mal wies er sich als FBI-Agenten aus, was ihm durchaus eine aufgebohrte Stirn hätte einbringen können, meinte Winston. Aber er hatte schon die Zauberworte fallen lassen: Macmillan, Frau Misty Irving, Bestechung und Drogen. Und dann packte er aus. FBI-Agent Kofi, promovierter Jurist, leitete fast eigenhändig eine von seinen Vorgesetzten nicht besonders ernst genommene interne Untersuchung gegen FBI-Agent Macmillan, der im Verdacht stand, Bestechungsgelder genommen zu haben. Und, wie es der Zufall will, wurde die Untersuchung vor Kurzem um den Verdacht des Mordes ausgeweitet. Was das Chefinteresse dann doch erweckte. Weil der clevere Kofi sofort Terrorismus unterstellte. Und die Bosse auf so was anspringen.
    „Zum Glück hat euer Obercowboy nach 9/11 für eine massive Ausweitung der Inlandsspionage gesorgt", sagte Winston. Die Homeland Security-Riesenbehörde mit fast 200.000 Beamten habe sich über alle verfassungsrechtlichen Feinheiten hinweggesetzt und das große staatliche Ohr aufgemacht; Telefone, Faxgeräte, Email und selbst Treffen wurden seither fleißig überwacht, abgehört und Inhalte gespeichert. Macmillan hatte sich um mich gekümmert, ich war mit Winston zusammengetroffen, also wusste Sicherheitsbeauftragter Kofi, wo er anzusetzen hatte. Und ließ sich in Winstons Büro nieder. Der Gastgeber schaltete das Radio ein, zog die schweren Gardinen über die leichten, bei jedem Luftzug klirrenden Jalousien und ließ die Fenster einen winzigen Spalt offen. Kofi betrachtete die Abhörsicherung des Raumes mit geschultem Auge. Hier war jemand, wusste er, der ein vertrauliches Gespräch ernst nahm, was er Winston auch achtungsvoll wissen ließ.
    Dann fiel Kofi mit der Tür ins Haus. Man wisse wohl, sagte er, womit der Herr Winston sein Geld verdiene. Zog ein paar Papiere aus der Umhängetasche und legte sie vor Winston hin. Der wurde recht still. Aber sein Geschäft, meinte der Besucher, sei schließlich seine Sache. Man sei da großzügig. Es gehe ihm lediglich um den Kollegen Robert A. Macmillan. Der werde verdächtigt, auf eigene Faust zu arbeiten, unterm Schutz des Amtes, und das gehe natürlich nicht. Kofi sei bereit, seine Ermittlungsergebnisse mit Winston zu teilen, sofern Winston seine Kenntnis der Geschäfte und Gepflogenheiten der vermuteten Macmillankomplizin

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