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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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Zeit?“
    „Natürlich", sagte Ignacio, und ich nickte. Mir war zum Heulen. Wir gingen schweigend zum Restaurant zurück. Winston nahm mir mein noch immer dudelndes Radio aus der Hand und warf es in hohem Bogen ins Gelände. Wir warteten einen Augenblick, bis eine kleine Cessna landete und an uns vorüber fuhr, gingen dann auf den Parkplatz, wo Winston mir die Hand hinstreckte. „Danke", sagte er, „ich rufe wieder an, wenn ich soweit bin.“
     
    Wir fuhren schweigend über die Berge und hinein in die Ebene, die sich bis kurz vors Meer hinzieht. Die übliche Nachmittagsbrise blies uns Staub und Abfallpapier entgegen, einige der Autos, die uns entgegenkamen, hatten ihre Scheinwerfer an, also tobte vermutlich irgendwo im Wüstenstreifen weiter vorn ein Sandsturm.
    Ignacio schaute zum hochgeschlossenen Seitenfenster hinaus, meine Knie waren vor lauter Kälte von der Klimaanlage fast steif, das Radio dudelte irgendwas Blödes, und ich konnte nicht aufhören, mich über Winston zu wundern. So gefasst, wie er meine Erzählung aufnahm! Jeder andere hätte getobt und gebrüllt, hätte beim Augenlicht seiner Mutter geschworen, aufs Übelste falsch verdächtigt worden zu sein, aber Winston blieb die Coolness selbst. Entweder, dachte ich mir, Frechheit siegt oder wir waren alle einer Riesenschweinerei aufgesessen.
    Das ließ mir keine Ruhe. Ich überlegte hin und her, verbrachte die halbe Fahrt damit, zu rätseln, was denn nun sein würde, und hielt es am Ende nicht mehr aus.
    „Ignacio, was sagst du? Siegt die Frechheit, oder sind wir alle einer Riesensauerei aufgesessen?“
    Er schaute nicht mal zu mir hinüber. „Frechheit siegt", sagte er zur Seitenscheibe.

 
     
     
    29 Überraschungen
     
     
    Ich war im Kloster San Miguel geblieben. Auf der Rückfahrt hielten wir an, um Kaffee zu trinken und ein Stück Kuchen zu essen, und da taute Ignacio endlich auf.
    In der schmierigen Truckerkneipe mit dem noch immer penetranten Zigarettengeruch, einer zahnlückigen Blondine, die alles hochgeschoben hatte was hochzuschieben war und einem Koch, auf dessen Schürze sich das gesamte Menü verewigt hatte, da sagte er plötzlich „Scheißkerl!“ mitten ins Geschirrgeklapper. Zwei futternde Langhaarige am Nebentisch schauten verdutzt über die Trennwand, die Blondine zuckte zusammen und der Koch schaute schuldbewusst von seinem Schneidebrett hoch. Ignacio ließ ein „Sorry“ hören, worauf sich alles wieder auf Essen und Arbeit konzentrierte und den fluchenden Priester kopfschüttelnd abtat.
    Er beugte sich zu mir herüber und sagte: „Komm, wir gehen.“ Stand auf, legte ein paar Dollar auf den Tisch und marschierte entschlossen durch die Tür nach draußen.
     
    Auf dem Parkplatz griff er mich am Oberarm und führte mich zum Jeep. „Ich bin mal gespannt, womit er ankommt, der Winston", sagte er. „Ich überlege schon die ganze Zeit, aber ich finde nichts, was ihn entlasten könnte. Im Gegenteil; er und sein Kumpan in Silver Strand haben doch das meiste von dem bestätigt, was uns Misty und Rick erzählt haben. Also rate ich dir: Sehe dich vor, sage nichts, wenn er wieder anrufen sollte, sondern gebe mir Bescheid. Ich glaube nach der heutigen Vorstellung nichts mehr. Winston scheint wirklich, wie Misty schon sagte, die Schwelle überschritten zu haben.“
    „Wenn du noch Cop wärst, würdest du ihn aufgrund der Beweislage, wie du sie kennst, festnehmen?“
    „Auf jeden Fall. Er sieht nicht nur schuldig aus, er ist es auch.“ Er hatte seine Meinung gebildet, der Ignacio. Was für mich gut genug war, Winston für krumm zu halten.
    Deshalb saßen wir die halbe Nacht bei ihm in der Klause und überlegten. Ich hatte Ignacio gesagt, was ich in die Wege geleitet hatte, daß wir unsere Pässe jetzt bald hätten, daß ich das Geld geholt und bei einem Bekannten hinterlassen hatte, der es für mich außer Landes bringen würde, was dem Ignacio Schauer über den Rücken jagte. „Mensch, wie kannst du nur einem mit soviel Geld trauen?“, was bei mir natürlich wieder leichte Panik auslöste, bis ich ihm und mir Wongs Ehrlichkeit schönredete. Es war ein aufregender Abend, muss ich sagen.
    Natürlich holte der Priester irgendwann eine Flasche Wein aus dem kühlen unterirdischen Indianergang hinter seinem Schrank. Die hielt nicht allzu lange. Die dritte Flasche haute erst ihn, dann mich um. Ich schlief auf seinem neu erworbenen motorisierten Liegesessel, er schnarchte auf der Pritsche.
     
    Ich machte mich wieder nach Cornwall auf,

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