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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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klar, dass keiner was weiß", überlegte er, und wir drei nickten im Takt dazu. „Was wiederum heißt, dass sich keiner unvermittelt auf euch stürzen wird. Solange ihr euren Polizeitermin einhaltet. Geht hin am Dienstag und bleibt bei der Wahrheit, soweit das möglich ist.“ Fanden die beiden auch.
    Ignacio drehte sich zu mir. „Und du?“
    „Keine Ahnung. Ich weiß nicht, was ich machen soll.“
    Das war das Problem. Immer wieder. Rings um mich starben sie wie die Fliegen, ich konnte keinen angstfreien Schritt tun, und ich wusste trotzdem nicht, was ich machen soll.

 
     
     
    20 Unabhängigkeitstag
     
     
    Das Pfeifen wurde zum Kreischen, das in einem Donnerhall endete. Ich tauchte ab und robbte unters Bett, benommen, wie ich noch war. Ein zweiter Pfiff gellte. Da endlich merkte ich, dass es sich um Feuerwerkskörper handeln musste, weil der Freiheitstag angebrochen war. Ich lag mit schwerem Kopf unter einem von Gonzales´ Gastbetten.
     
    Die fingen verdammt früh an mit der Knallerei. Nachdem ich mühsam unterm Bett vorwackelte, schaute ich auf den Wecker. Halb sieben. Mein lieber Mann! Ich hatte Schwierigkeiten, beide Augen auf den gleichen Punkt zu richten. Und Kopfweh; das pochte wie zu besten Säuferzeiten in meiner Strandhütte.
     
    Der Rotwein war´s. Wir hatten uns über Gonzalez´ Gästerotwein hergemacht, weil wir den guten nicht fanden. Nachdem er Gonzales anrief und ihm meldete, dass wir übernacht bleiben würden, verschwand Ignacio wieder Richtung Süden. Bobby hatte eine Korbflasche entdeckt, hatte den Verschluss – „ist doch scheißegal, wovon es einem schlecht wird“ – aufgeschraubt und die ersten drei von vielen, vielen Gläsern eingeschenkt. Nach und nach spazierten unsere Beschützer hinein, fanden eine zweite, eine dritte und eine vierte Pulle, und wir machten uns einen ausgesprochen fröhlichen Abend, nachdem unser ursprüngliches Misstrauen den Herren gegenüber einer emotionalen Verbrüderung Platz machte.
    Nun hatte ich die Bescherung. War selten, dass ich Anfängerprobleme wie Kopfweh und Fokusschwierigkeiten hatte. Musste der ungewohnte Wein sein.
    Und jetzt noch die Knallerei.
     
    Unter meinem Zimmerfenster begann einer, auf Spanisch zu brüllen. Ein Vokal-Stakkato, das von irgendwoher leiser, entschuldigend beantwortet wurde. Ein letzter Knall und dann war Ruhe. Ich zog mich an und ging in die Küche.
    Frau Gonzales stand schwitzend über einem riesigen, dampfenden Topf. Sie zeigte stolz die prall gefüllten Tamales, fragte mich, ob ich welche möchte, und nahm meinen Horror vor solch scharfem Frühstück befremdet zur Kenntnis. Corn Flakes und Milch würde sie bringen, murmelte sie, und ich meinte, ein gepresstes „blanquito“ herauszuhören. Weißerchen.
    „Und Kaffee!“
    Ja, natürlich, Kaffee.„Steht auf dem Tisch,“ zeigte sie mit dem Daumen über die Schulter, während sie sich über den Tamaletopf beugte. Also gut.
     
    Ich setzte mich zu den Hombres, die auf die Tamales warteten. Ich konnte mich noch dunkel an den einen und anderen erinnern, ihnen schien es mit mir auch nicht besser zu gehen. Wir schwiegen uns nach der Begrüßung an, bis die Señora mit den Tellern kam. Tortillas, Tamales, weiche Spiegeleier, scharfe rote Soße, Reis und Bohnenmus. Pfui Teufel. Ich mochte das ja auch, aber nicht zum Tagesbeginn. Meine Corn Flakes, vorsorglich in der Küche mit Milch übergossen, wurden langsam zu Brei. Am liebsten hätte ich gekotzt.
     
    Ich ging stattdessen ausgiebig spazieren. Eine Stunde am Feldrain entlang, in die Sonne hinein zum dunklen Streifen des Waldes am Fuß der Berge. Ein Kojote trabte mit heraushängender Zunge übers Feld, auf der Suche nach Mäusen und Präriehunden, am weißen Himmel kreisten Raubvögel, mir lief der Schweiß von Stirn, Nase und Bauch. So langsam pendelte sich mein Normalzustand wieder ein. Der Kopfschmerz verzog sich, ich ging einigermaßen gerade den Weg entlang, und das Ziehen in der Brust hatte aufgehört. Nie wieder Rotwein, schwor ich mir. Jedenfalls nicht solchen Rotspon. Mit dem konnte man Rost entfernen oder hartnäckige Flecken erfolgreich bekämpfen. Meine Güte. Mit zunehmendem Alter wurde ich immer blöder. Früher hätte ich so was nicht gesoffen, auf keinen Fall.
     
    Das dunkle Auto war nur als Fleck vor der langen Staubfahne zu erkennen. Ich dachte kurz, das sei Ignacio, überlegte aber, dass sein sandfarbener Käfer selbst auf diese Entfernung sandfarben war. Ich ging inzwischen am Rand eines struppigen

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