Aasgeier
Schmalzgerichte, Hamburger und Fish and Chips, die fettigen Donuts und das süße Frühstück. Ketchup und Salsa warf ich hinterher, selbst meine Leibspeise Bier ging zum Fenster raus. Ich wurde zart gegrilltem Fleisch hörig, betete die luftigen Soßen an, die uns vorgesetzt wurden, das knackige Gemüse und die vielen Geschmacksrichtungen, die ich nach und nach aufnahm. Der Wein haute mich um. Ich hatte bisher Wein als billige Bieralternative gekannt, aus Vierliterflaschen genossen und möglichst eisgekühlt, wegen des sonst hervorstechenden Fuselgeschmacks. Das hier war mir völlig neu.
Die Sonne wollte gerade aufgehen, als Bobby mich unsanft an der Schulter schüttelte. „Wir müssen raus. Sind zwar nur ein paar Meilen, aber lieber etwas früher dort sein.“
Ignacio saß schon im schmuddeligen McFlughafenrestaurant, als wir ankamen. In Zivil saß er da, buntes Hemd über grauer Flanellhose. Ich erkannte ihn auf den ersten Blick kaum. Er stand auf, als er uns sah, und reichte überall die Hand. Mir fiel auf, dass er nur widerwillig Zorbian begrüßte, und dass der Opa widerstrebend Wiedersehensfreude markierte. Wir setzten uns.
Priester sind ja harte Sachen gewohnt, stelle ich mir vor, aber mir war doch peinlich, mit anhören zu müssen, was Bobby alles erzählte. Und Bobby ließ nichts aus. Wenn man das so hörte, dann musste man sich doch wundern, was mit uns eigentlich los war. Normale Leute leben ihr Leben, halten sich Ärger vom Hals, kämen nie auf den Gedanken, dass es um sie herum vor Geiern wimmelt und sterben im Bewusstsein, ein interessantes, vielleicht sogar aufregendes Leben gelebt zu haben. Und wir? Dauernd auf der Flucht, wie der Kerl mit dem Koffer, der im Urfernsehen soviel Aufruhr machte. Dauernd auf der Hut, dauernd über die Schulter blicken, nicht auch nur eine Minute Ruhe. Scheißleben.
Wir haben uns dieses Dasein selber ausgesucht. Ich nahm´s jedenfalls von Bobby und Zorbian an, ihren Erzählungen nach. Von mir wusste ich´s ja. Ich meine, natürlich habe ich mein Leben bis vor ein paar Jahren einigermaßen normal und ziemlich ungewöhnlich gelebt, aber seit ich den Scheißkerl am Strand fand und unbedingt meine lange Nase in seine Geschäfte stecken musste, bin ich am Arsch. Lag an mir. Wenn ich aufgehört hätte mit der Schnüffelei könnte ich noch heute in Striker am Strand wohnen, hätte ich nicht diese stete Angst, hätte sicher noch meinen Radiojob und meinen Suff, und könnte mich auf einen angenehmen Lebensabend freuen. Einen Lebensabend, der in weiter Ferne lag. Nicht wie jetzt, wo der Lebensabend täglich neu drohte.
Ignacio ließ Bobby ausreden. Er trank schweigend seinen Kaffee aus, legte einen Dollar auf den Tisch, schob den Stuhl zurück und stand auf. „Kommt", sagte er und ging zur Tür hinaus.
Wir fuhren hinter ihm her. Wie so oft schon, bog er jetzt auch auf den nach Norden führenden Freeway. Sein Käfer mühte sich nach all den Jahren noch immer redlich, und Ignacio schien nicht zu stören, dass sein Autochen nun im hohen Alter einen bläulichen Afterausstoß hatte, dass es unterm normalen Gebläsegeheul ein tiefes Brummen hören ließ, und dass es – wie Alte das eben tun – nicht mehr richtig geradeaus lief, sondern eher auf der Fahrbahn schlenderte, von einem Rand zum anderen. Mir tat der Veteran leid. Ich hatte dem Priester doch einen schönen Sack voll Geld dagelassen, damals, noch ehe er mich vor dem verrückten Cop rettete, und was hat er damit angefangen? Einen neuen Glockenturm gebaut, statt sich endlich ein richtiges Auto zuzulegen.
Mir war gleich klar, dass er zum Gonzales fuhr, und ich freute mich auf die beiden Eheleute. Wollte mich sowieso mit Herrn Gonzales unterhalten. Nicht, dass der noch wegen mir mit dem Macmillan Ärger bekommt. Ignacio bog wie immer rechts ab, donnerte die Dreckstraße entlang bis zum Hof, legte einen feschen Halbkreis hin und ließ den Käfer einfach stehen, wo er zur Ruhe kam. Wir parkten ordentlich vor dem Gonzales´schen Ranchito und stiegen aus.
„Mann, hier war ich auch schon lange nicht mehr,“ sprach Bobby, als er sich umschaute. Auch Zorbian schien sich hier auszukennen. Er ging schnurstracks auf die Hintertür des Hauses zu. „Muss mal aufs Klo", ließ er uns wissen. Ignacio haute mir im Vorbeigehen auf die Schulter. „Kommt mit rein,“ lud er ein, und wir folgten ihm durch die Tür.
Señora Gonzales war ansprechend wie immer, Señor Gonzales schaute etwas scheel, aber das tat er
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