Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
Vom Netzwerk:
legte ihr die Hand auf die Schulter, um sie zu trösten, doch dabei drückte er sie nur ein wenig weiter zu Boden, während er selbst zur Decke schwebte.
    »Oh«, murmelte Cortez, »ich wünschte, Sie hätten es nicht getan. Das hätten Sie nicht tun dürfen.«
    Anna sprach noch im Monitor der Sicherheitsstation. Radio Freie Langsame Zone ließ sich nicht unterkriegen. Auf der Brücke knatterten erneut Schüsse. Ashford rief: »Erledigt sie! Erledigt sie alle!« Doch soweit Clarissa es erkennen konnte, waren die Wächter nicht auf den Korridor gestürmt. Das war auch nicht nötig. Früher oder später würde Holden, Naomi und ihren Begleitern die Munition ausgehen, und dann würden sie sterben. Oder Ashford und alle seine Männer hätten keine Munition mehr, und dann würde Holden sie töten. So oder so, für sie selbst sah es nicht gut aus. Aber das war in Ordnung. Deshalb war sie hergekommen.
    Andererseits …
    »Haben Sie gehört, was sie gesagt hat? Was Anna gesagt hat?«
    »Anna Volovodov irrt sich gewaltig, soweit es die Vorgänge hier betrifft«, erwiderte Cortez. »Es war ein Fehler, sie am Projekt teilnehmen zu lassen. Ich hätte stattdessen Muhammed al Mubi einladen sollen.«
    »Haben Sie gehört, was sie gesagt hat?«
    »Was reden Sie da, mein Kind?«
    »Sie sagte, wenn wir den Ring angreifen, wird er es den Leuten auf der anderen Seite heimzahlen. Allen Menschen daheim.«
    »Das kann sie nicht wissen«, widersprach Cortez. »Solche Dinge behaupten unsere Feinde eben, um uns in die Irre zu führen.«
    »Sie war es ja gar nicht«, erklärte Clarissa. »Sie hat es von Holden.«
    »Von dem James Holden, der den Leuten verschiedene Dinge erzählt und damit einen Krieg angezettelt hat?«
    Clarissa nickte. Mindestens einen Krieg hatte Holden tatsächlich angezettelt. Er hatte Protogen zerstört und dadurch die Dominosteine angestoßen, bis schließlich auch Mao-Kwik und ihr Vater gestürzt waren. All das hatte er getan.
    Aber …
    »Er hat nicht gelogen. Er hat all dies getan, aber er hat kein einziges Mal gelogen.«
    Cortez öffnete den Mund, um zu antworten. Seine Miene war schon höhnisch verzogen, doch ehe er etwas sagen konnte, knallten wieder Schüsse. Cortez zuckte zurück. Schießpulvergeruch breitete sich aus, die Luftrecycler drehten höher, um die Partikel abzusaugen. Sie hörte das Laufgeräusch der Ventilatoren. Wahrscheinlich hatte niemand sonst auf der Brücke eine Ahnung, was es bedeutete. Für die anderen war es nur ein etwas höheres Summen, wenn überhaupt.
    Cortez fuhr sich mit gespreizten Fingern durch die Haare.
    »Halten Sie sich heraus«, sagte er. »Wenn es vorüber ist, wenn dies erledigt ist, kann ich mit Ashford sprechen und ihm erklären, dass Sie seine Pläne nicht durchkreuzen wollten. Es war ein Fehler. Er wird Ihnen verzeihen.«
    Clarissa neigte den Kopf. Sie war sehr verwirrt, wozu der Hunger und die Schießerei ihren Teil beitrugen. Jim Holden war draußen auf dem Korridor. Der Mann, den zu entehren und zu vernichten sie sich solche Mühe gegeben hatte. Jetzt wollte sie nicht mehr, dass er starb. Ihr Vater war auf der Erde, und sie musste sich entscheiden, ob sie ihn und alle anderen retten oder vernichten wollte. Sie hatte Ren getötet und konnte absolut nichts tun, um dies in Ordnung zu bringen. Nicht einmal, wenn sie dafür starb.
    Sie war ihrer Sache so sicher gewesen, sie hatte sich so sehr ins Zeug gelegt. Sie hatte alles gegeben und am Ende doch nur noch eine große Leere empfunden. Sie fühlte sich besudelt. Das Geld, die Zeit, das völlig andere Leben, das sie hätte führen können, wenn sie nicht auf dem Altar ihres Familiennamens so viel geopfert hätte. Als letztes Opfer hatte sie ihr nacktes Leben zu bieten. Nach dem Gespräch mit Anna beschlich sie jedoch der Verdacht, dass auch dieses Opfer untauglich war.
    Die Verwirrung und Verzweiflung summten ihr förmlich in den Ohren, bis aus dem Durcheinander Gefühle emporstiegen, die endlich ihre eigenen waren: Verachtung, Wut und eine Gewissheit, an der sie festhalten konnte.
    »Wer ist Ashford, dass er mir irgendetwas verzeihen könnte?«
    Cortez blinzelte verdutzt, als bemerkte er sie erst jetzt.
    »Was das angeht, wer, zum Teufel, sind Sie?«
    Sie drehte sich um, stieß sich sachte zum Türrahmen ab und ließ Cortez hinter sich zurück. Ashford und seine Männer waren bewaffnet und warteten auf den nächsten Schusswechsel. Der Kapitän lag ausgestreckt hinter seinem Steuerpult und hatte eine Waffe in der Hand. Mit

Weitere Kostenlose Bücher