Abaddons Tor: Roman (German Edition)
kräftige Frau zu gewinnen. Doch sie zog nur seine Hände von ihrem Geschirr und drückte sich wieder auf den Boden hinunter.
»Verstanden, Sir«, sagte sie.
»Gehen Sie wieder auf Ihren Posten«, sagte er so sanft, wie es ihm nur möglich war.
Sie kehrte zur Kante der Plattform zurück. Juarez hatte kommentarlos zugesehen. Nach einem kurzen respektvollen Schweigen sagte er: »Gibt es einen Plan, Sir?«
»Naomi versucht, die Tür zu öffnen, hatte aber bisher keinen Erfolg. Die Explosion im Aufzug hat uns möglicherweise ein paar Minuten erkauft, aber das ist vermutlich auch schon alles.«
»Wir müssen die Zeit so gut nützen, wie wir können«, erwiderte die Marinesoldatin lächelnd. Juarez kicherte und klopfte ihr auf die Schulter.
»Das hier ist also unsere letzte Verteidigungsstellung. Wir haben gute Deckung und freies Schussfeld. Wenn ich Glück habe, kann ich vielleicht noch ein Visier treffen. Cass, nimmst du die rechte Ecke? Corin kann links bleiben, und ich richte mich im Zentrum ein. Holden kann sich frei bewegen und uns da unterstützen, wo es heiß wird.«
Er hielt inne und nickte Holden zu. »Falls das in Ordnung geht, Sir.«
»Einverstanden«, stimmte Holden zu. »Ich übertrage Ihnen das volle taktische Kommando über Ihre Position, weil ich Naomi mit der Tür helfen will. Rufen Sie, wenn Sie mich brauchen.«
Juarez löste die Magneten und sprang hoch, um sich unter der Decke zu verankern. Dort streckte er sich, hob das langläufige Gewehr über den Kopf und zielte den Schacht hinunter. Aus Holdens Perspektive wirkte es, als hinge eine ausnehmend gut bewaffnete Fledermaus an der Decke.
»Bewegungen«, meldete er fast sofort.
»Verdammt«, sagte die Marinesoldatin, die Cass hieß. »Die haben sich schnell durch die Barriere gegraben.«
»Sieht aus, als wären sie noch nicht ganz durch, aber die Wand bekommt Dellen. Anscheinend schlagen sie dagegen.«
»Ich habe eine Idee.« Naomi trat an die Kante der Plattform und schwebte zur anderen Seite des Aufzugschachts hinüber.
»Was hast du vor?«, fragte Holden.
»Zugangsklappe«, sagte sie nur und öffnete im Schacht die Luke der Aufzugsteuerung. Die Klappe war so groß, dass sie ganz dahinter verschwinden konnte. Holden war nicht der Ansicht, dass dort etwas war, das ihnen half, die Luftschleuse zu öffnen, doch das war ihm egal. Naomi war gut gedeckt, solange sie dort drinnen blieb. Ashfords Leute suchten sicher nicht gezielt nach ihr. Wahrscheinlich waren sie nicht genau im Bilde, wer sich an dem Angriff auf das Maschinendeck beteiligt hatte.
»Jetzt kommen sie«, berichtete Juarez, der mit dem Zielfernrohr den Schacht beobachtete. »Zwei sind noch da.« Sein Gewehrlauf blitzte. »Verdammt, kein Treffer.« Es blitzte zwei weitere Male. Cass gab mit ihrem Sturmgewehr unterdessen genau gezielte Einzelschüsse ab. Die Angreifer waren etwas weniger als einen Kilometer entfernt. Auf diese Entfernung wäre Holden nicht einmal fähig gewesen, ein stehendes Transportshuttle zu treffen, ganz zu schweigen von einem Menschen, der sich schnell bewegte. Doch nachdem er Bobbie Draper kennengelernt hatte, wusste er, dass Cass nur schoss, wenn sie einigermaßen sicher war, auch einen Treffer zu erzielen. Er hatte keine Einwände.
»Achthundert Meter.« Juarez’ Stimme klang, als hätte er einem Fremden die Uhrzeit genannt. »Siebenfünfzig.« Wieder gab er einen Schuss ab.
Cass leerte ihr Magazin und tauschte es mit einer einzigen fließenden Bewegung aus. Holden nahm drei Reservemagazine von seinem Bandelier und ließ sie neben ihrem linken Ellenbogen schweben. Sie bedankte sich mit einem Nicken, ohne den Rhythmus ihrer Einzelschüsse zu unterbrechen. Juarez feuerte noch zweimal. »Leer.« Er spähte weiter mit dem Zielfernrohr und gab Cass die Entfernungen durch. Als er bei fünfhundert war, eröffnete auch Corin das Feuer.
Das ist alles sehr tapfer, dachte Holden. Keiner von ihnen gehörte zu der Sorte, die schnell aufgab, ganz egal, wie schlecht die Aussichten auch standen. Doch was sie jetzt taten, war mehr oder weniger sinnlos. Juarez besaß das einzige Gewehr, das den Soldaten in den hochmodernen Rüstungen einigermaßen gefährlich werden konnte. Er hatte jedoch seine Munition verbraucht und nur einen Gegner getötet. Also deckten sie die anrückenden Feinde mit einem Kugelhagel ein, weil Leute wie sie sich so verhielten, auch wenn es zwecklos war. Am Ende würde Ashford siegen. Wäre er nicht so unendlich erschöpft gewesen, dann wäre
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