Abaton
war damals für ihn die einzige Möglichkeit, sein Wissen unter die Menschen zu bringen“, erklärte Greta.
„Mithilfe von Hypnose“, sagte Linus.
Greta nickte. „Leider erreichte er auf diesem Weg nur wenige und konnte die Katastrophe nicht verhindern. Er arbeitete daran, eine Kritische Masse zu erzeugen, die das Dritte Reich hätte aufhalten können, aber er hatte die Mittel dazu noch nicht. Heute haben wir sie.“ Sie machte eine umfassende Geste in Richtung der drei Jugendlichen.
„Und meine Großmutter?“, beharrte Edda. „Kennen Sie sie?“
„Sie hat sich nach dem Krieg an einen Ort an der Nordsee zurückgezogen, nicht wahr?“
„Und von da ist sie vor Kurzem verschwunden“, sagte Edda. „Deshalb bin ich nach Berlin zurückgekommen. Weil sie hier eine Wohnung hat und ich dachte ...“
„Siehst du, es gibt keine Zufälle.“
Die Frau wandte sich wieder an alle drei. „Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr euch entscheiden würdet, in den Dienst von gene-sys zu treten. Und um euch zu zeigen, was euch erwartet, haben wir etwas vorbereitet.“
Greta bedeutete den dreien, ihr zu folgen. Sie führte sie über den Gang in einen Raum, der neben der Disco lag und wie ein Kino anmutete. Es gab eine große Leinwand und davor ein paar Reihen bequemer Sessel. Auf einem Tisch an der Seite waren Getränke aufgereiht und Schalen mit Süßigkeiten und Popcorn.
„Schaut es euch in Ruhe an“, sagte Greta und ließ sie allein.
Sie blickten sich an.
„Begründer einer neuen Generation. Irgendwie cool!“, sagte Linus.
„Total schräg“, meinte Simon.
„Weiß nicht“, sagte Edda.
„Komm schon. Gucken kost’ ja nix.“
Linus nahm sich eine Cola und öffnete die Flasche. Dann ließ er sich in einen gepolsterten Sessel fallen. Simon setzte sich in den übernächsten Sessel. Schließlich nahm Edda das Angebot an und besetzte den mittleren Platz.
Kurz darauf wurde der Raum verdunkelt. Musik setzte ein und der Film begann. Ein perfekt gemachter Werbefilm. Er warb für eine großartige Zukunft. Eine Welt ohne Hunger und Durst, in der Frieden und Achtsamkeit herrschte. Mit einer intakten Natur. gene-sys hatte alles Wissen aller Kulturen gesammelt und es in diese neue Welt einfließen lassen.
Die Utopie einer perfekten Zukunft.
Ein Paradies. Gebannt starrten die Kinder auf die Bilder, die ihnen vertraut schienen und doch eine Zukunft zeigten, die es nicht gab. Noch nicht.
Was die Kinder nicht bemerkten, waren die drei Messgeräte, die sich an der Decke über ihnen eingeschaltet hatten. Sie glichen den Sensoren, die Clint und die anderen Söldner im Camp benutzt hatten, um die Level der Jugendlichen zu messen.
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In der Einsatzzentrale wartete Greta zusammen mit der Leiterin des Camps und der Einsatzleiterin gespannt auf die Ergebnisse der Messung. Auch der Cleaner, der Mann mit Pferdeschwanz und Hawaiihemd, verfolgte den Verlauf der aufgezeichneten Kurven.
Der Blick der Frau am Computer verfinsterte sich merklich, als sie die Zahlen auf den Bildschirm gespielt bekam. Sie drehte ihn so, dass Greta sie auch sehen konnte.
„Das kann doch nicht sein“, sagte sie.
„Machen Sie mir eine Verbindung nach São Paulo“, sagte Greta zu der Einsatzleiterin, nachdem sie die Zahlen und den Verlauf der Kurven eingehend studiert hatte. „Und ich denke, wir müssen Edda noch ein wenig mehr überzeugen. Bereiten Sie alles vor.“
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Eine warme, männliche Stimme sprach zu den drei Zuschauern im Kino. „Ohne euch, Edda, Simon und Linus, ist diese Zukunft der Menschheit nicht denkbar.“
Plötzlich flimmerten Aufnahmen über die Leinwand, die die drei als kleine Kinder zeigten. Irritiert schauten sie sich an. Da war der kleine Linus in dem Pfadfinderlager in der Eifel. Simon beim Langstreckenlauf in der Schule und David, der ihn anfeuerte. Und die kleine Edda, die ihrem Kaninchen die Glasharfe der Großmutter zeigte.
„Mann, die haben uns schon ewig auf dem Kieker.“ Es war Linus, der fassungslos aussprach, was alle dachten.
Dann sahen sie die Bilder aus dem Camp. Und Aufnahmen von Überwachungskameras. Simon am Bahnhof in Mannheim und Stuttgart. Vor der JVA in Stammheim. Edda in der Klinik, in die sie ihre Mutter eingeliefert hatte. Bilder einer Lkw-Maut-Kamera, Edda neben der Truckerin. Und Linus. In der Kölner U-Bahn. Wie er weinend zusammenbrach. Wie er an einer Raststätte auf dem Weg nach Berlin Olsens Wagen auftankte. Wie er nach der Begegnung mit der älteren Frau, von der sie nun
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