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Abaton

Abaton

Titel: Abaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Jeltsch
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dem Fensterbrett des Gurus verkrochen hatte. Zusammen mit den Teeblättern und heißem Wasser hatte er sie selbst aufgebrüht. Die Giftblase der Schlange war geplatzt und hatte den Tee vergiftet.
    Edda war felsenfest überzeugt, dass ihr Traum etwas damit zu tun gehabt hatte. Aber sie sagte nichts. Sie hätte sich nur lächerlich gemacht.
    Zufall.
    Klar.
    Aber Edda hatte später die tote Schlange gesehen. Und sie war weiß gewesen.
    Solche Zufälle gab es nicht.
    Nach dem Tod ihres Gurus hatte sich die Sekte aufgelöst. Und ihre Odyssee hatte Edda zurück nach Deutschland geführt. Zu Marie. Nach Cuxhaven. An einen Ort, an dem es nur normale Leute gab. Wo sie zunächst belächelt worden war, aber am Ende doch ein Mädchen wie alle anderen wurde, das sich schminkte, Musik hörte und sich für Jungs interessierte! Alles war gut geworden.
    Und jetzt kam ihre Mutter und wollte sie zurück in ihren Wahnsinn ziehen!
    „Ich weiß, warum er gestorben ist“, sagte Edda plötzlich und starrte ihre Mutter an.
    Diese hatte Eddas Ausflug auf den Dachboden ihrer Erinnerungen gar nicht bemerkt. Verblüfft sah sie Edda an. „Eine giftige Schlange ist in seine Teekanne gekrochen“, sagte Eddas Mutter.
    „Und ich hab sie dort hineinkriechen lassen“, sagte Edda.
    Ihre Mutter schaute sie ungläubig an. Dann lächelte sie ihr sanftes Lächeln. „Edda, Liebstes, es gab kaum ein Kind, dass mehr Angst vor Schlangen hatte als du.“
    „Ich habe der Schlange im Traum befohlen, ihn zu töten, und am nächsten Tag war er tot!“
    Mit ernsten Augen schaute Eddas Mutter sie eine Weile an. „Menschen erzählen sich solche Geschichten, damit sie in schwierigen Situationen die Kontrolle nicht verlieren. Glaub mir, du hast ihn nicht getötet. Es war ein Unfall.“
    Sie stand auf und strich Edda übers Haar, doch Edda zog den Kopf weg. „Etwas muss dich wirklich sehr verletzt haben, damals. Es tut mir leid, Edda“, sagte sie sanft.
    Für einen Augenblick schwiegen Mutter und Tochter.
    „Du bist nicht schuld an seinem Tod. Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen.“
    „Ich mache mir keine Vorwürfe. Es tut mir überhaupt nicht leid, dass er gestorben ist! Ich denke gern daran“, sagte Edda trotzig.
    „So etwas ist unmöglich“, sagte ihre Mutter sanft.
    „Du bist es, die nicht wahrhaben will, dass es Dinge gibt, die man nicht sehen kann! Die man nicht verstehen kann! Zwischen Himmel und Erde. Du predigst etwas, was du selbst nicht verstehst. Und deshalb machte es dich wahnsinnig. Aber ich weiß, wovon ich rede!“ Edda sprang auf. „Und ich würde es wieder tun!“
    Sie ging ruhig aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.
    Für eine Weile stand sie zitternd davor.
    Dann ging sie hinunter und zur Haustür hinaus. Aus dem Versteck unter dem Blumentopf holte sie eine Zigarette und zündete sie an. Hastig und tief sog sie den Rauch ein. Es schmeckte ihr nicht und sie drückte die Kippe wieder aus.
    Als Edda ins Wohnzimmer zurückkehrte, hatte ihre Mutter ihre Sachen ins Gästezimmer nebenan gebracht.
    „Ich bin müde“, sagte Edda und versuchte zu lächeln. Sie hatte keinen Streit gewollt und wieder war es passiert. Sie machte sich Vorwürfe.
    „Dann leg dich hin“, sagte ihre Mutter mit leiser, trauriger Stimme. „Ich bleib wach und warte auf Marie. Hat sie wirklich nicht gesagt, wo sie hinwollte?“
    Edda schüttelte den Kopf. „Sie war schon weg, als ich gestern von der Schule zurückgekommen bin.“
    „Das hat sie schon immer so gemacht“, sagte ihre Mutter mit abwesender Stimme und klang plötzlich ganz verloren. Und mit einem Mal meinte Edda, ihre Mutter zu verstehen.
    Edda ging zu ihr und umarmte sie. „Schön, dass du wieder da bist“, sagte sie leise. „Tut mir leid, dass ich so ausgerastet bin. Ich freu mich, dass du wieder gesund bist!“
    Ihre Mutter lächelte. Etwas stimmte nicht mit ihr, aber Edda wusste nicht, was es war.
    „Schon in Ordnung.“
    „Jetzt wird alles gut, Edda. Ich bin wieder da.“ Ihre Mutter gab ihr einen Kuss.
    Edda löste sich aus ihrer Umarmung und ging in ihr Zimmer. Sie war erschöpft und wusste nicht, warum. Sie räumte Maries Sachen vom Bett. Dann legte sie sich darauf. Was für merkwürdige Dinge in den vergangenen Tagen passierte waren! Maries Verschwinden. Eddas seltsamer Fund auf dem Dachboden. Marcos Auftritt. Die Leiterin des Camps, die Marie offensichtlich gut kannte. Das Auftauchen von Eddas Mutter ... Sie hatte das seltsame Gefühl, dass all das in einem

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