Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen
kommst du zu dieser Frage?« versuchte ich die Antwort zu umgehen.
»Weil ich mich nur in meinen eitlen Stunden über diese Bezeichnung freue; bin ich aber ernst, so ärgere ich mich darüber.«
»So ärgere dich!« riet meine Frau. »Der Ärger ist hier richtiger, als die Freude.«
»Meinst du?« Er sah sie nachdenklich an. Dann richtete er das Auge auf mich und nickte mir bedeutsam zu: »Ich gebe sehr viel auf das, was unsere Gattin sagt. Du vielleicht nicht? Aber bisher hat sie stet das Richtige getroffen. Nun gehe ich wirklich! Allah behüte euch!«
Als er fort war, dauerte es kaum zehn Minuten, so klopfte es wieder und wer kam? Sein Vater. Er bat um Verzeihung, daß er uns zu so ungelegener Zeit störe; aber es sei etwas geschehen, was er uns unbedingt melden müsse.
»Du hast geträumt?« fragte ich.
»Ja. Woher weißt du das?«
»Ich weiß es nicht, sondern ich denke es mir.«
»So hast du es erraten. Denkt euch! Mir träumte, ich stand des Morgens auf und kam in die Stube, wo ich wohne. Da saß mein Bruder genau so, wie gewöhnlich ich, lächelte mich an und sagte:
›Ich bin gekommen und will sehen, ob ich bleibe.‹ Da wachte ich vor Freude auf. Nun sag’, ist das ein Wunder oder nicht?«
»Ein Wunder? Nein! Für mich ist es sogar etwas ganz Selbstverständliches.«
»Nach unsrem gestrigen, letzten Gespräch für mich wohl auch; aber heute kam mir im Erwachen ein Gedanke, gleich unmittelbar nach dem Traum, fast so, als ob dieser Gedanke die Fortsetzung des Traumes sei. Weißt du noch, was mein Bruder im vorigen Traum zu mir sagte?«
»Daß er dir seine Verzeihung senden werde.«
»Nun, und wie hieß das Kind, welches ihr gestern getroffen habt und von dem mein Sohn so unaufhörlich sprach?«
»Schamah, die Verzeihung!«
»Das ist ja wahr! Das ist ja richtig!« fiel da meine Frau rasch ein. »Sollte es wohl –«
»Pst – –! Still – –! Pst – –!« unterbrach ich sie schnell, indem ich den alten Eppstein nachahmte. »Laß dich von keiner Geheimnisselei überwinden! Schamah bedeutet allerdings Verzeihung, ist aber doch auch zugleich ein Mädchenname.«
»Aber die Mutter des Mädchens kommt, wie Thar mir sagte, aus der Gegend von El Kerak und das liegt im Ostjordanlande, wohin mein Bruder sich gewendet hatte!« warf Mustafa Bustani ein.
»So hast du mit Thar heute über sie gesprochen?« fragte ich, um ihn von diesem Thema abzubringen.
»Noch gestern abend,« antwortete er. »Heute war er zwar schon zeitig wach, ließ aber gar nicht mit sich reden. Das hat er an sich, wenn er seine Gedanken an die Mutter richtet. Es beschäftigt ihn dann immer irgend eine Gabe oder irgend eine Tat, mit der er jemand zu erfreuen hofft. Dann ging er fort, ohne etwas gegessen oder getrunken zu haben.«
»Weiß er, daß du hier bei uns bist?«
»Fällt mir nicht ein! Wenn er erführe, daß man zu euch kommen darf so oft es einem beliebt, dann würdet ihr ihn den ganzen Tag nicht los, denn ich will euch nicht verschweigen, daß er euch beide in sein Herz geschlossen hat. Er ist seit gestern wie verändert. Und das kleine Mädchen scheint einen Eindruck auf ihn gemacht zu haben, der mir ein Rätsel ist.«
»Aber doch kein schlimmes Rätsel?«
»O nein, sondern ein sehr erfreuliches! Auch ich bin anders gestimmt als zu gewöhnlicher Zeit. Gestern war Feiertag; aber mir ist, als ob er erst heute sei. Ich komme mir vor wie in der glücklichen Knabenzeit, wenn etwas Langersehntes endlich einzutreffen verspricht. Ist das nicht sonderbar? Ist das nicht lächerlich?«
»Sonderbar wohl kaum, lächerlich aber keinesfalls. Unsere Seele steht mit ganz andern Welten in Verbindung als unser Körper. Und diese Verbindung ist eine so innige, daß ein vernünftiger Mensch über das, was wir ›innere Stimmen‹ nennen, wohl niemals lächeln wird. Hat dir der Traum den Bruder deutlich gezeigt? Oder war es nur so eine Gestalt, die du für ihn genommen hast?«
»Er war es und zwar so bestimmt und deutlich, daß ich mich sogar im Traum darüber wunderte und freute, daß er mir noch genau so ähnlich sieht wie früher. Wir waren einander nämlich so außerordentlich ähnlich, daß wir oft mit einander verwechselt wurden. Das machte uns Spaß und darum trug er sich auch in Bezeihung auf Bart und Kleidung ganz genau wie ich. Um so verschiedener waren wir innerlich. Er immer weich, nachgiebig und zum Frieden geneigt, ich aber unzart, rauh und stets bereit als Gebieter aufzutreten. Das trennte uns dann schließlich. Heute
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