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Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Titel: Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sagte:
    »Ehe ich sie zurücknehme, muß ich wissen, um was es sich handelt. Ich habe sie dir nicht geborgt, sondern geschenkt.«
    »Du irrst!« sagte er ernst. »Ich bettle nicht, sondern ich borge. Schamah und ihre Mutter sind arm, sehr arm. Sie haben zuweilen nicht genug zu essen; das habe ich herausgehört ohne zu fragen. Ich aber bin reich und ich bin ihr Freund. Darum habe ich im Hospiz für sie bezahlt, ohne daß sie es wissen, und darum bringt der Hammahr sie heute nach Jerusalem, natürlich auf besseren Eseln, als die gestrigen waren; sie aber erfahren nicht, daß ich es bin, der es bezahlt. Sie glauben, das werde ihnen vom Hospiz aus geschenkt. Sie reiten, wenn sie hier ankommen, gar nicht in die Stadt herein, sondern sie biegen nach rechts in das Tal Hinnom ein und an dem Ölberg hinauf nach Bethanien, zu meinem Freunde Abd en Nom.«
    »Wer ist Abd en Nom?«
    »Der Vater des größten Walfisches, den wir haben, und des schwersten Nilpferdes, das es gibt. Er beherbergt Pilger. Jetzt steht sein Haus ganz leer und Schamah hat mit ihrer Mutter mehr Platz, als sie braucht. Sie wird auch dort essen. Sie glaubt natürlich, sie sei vom Hospiz dorthin empfohlen. Abd en Nom hat mich gern. Ich gehe auch mit zu ihm, um alles vorzubereiten.«
    »Und zu bezahlen?«
    »Ja. Aber ich bitte euch das ja nicht zu verraten. Schamah und ihre Mutter dürfen es niemals erfahren!«
    »Weiß es dein Vater?«
    »Nein.«
    »Aber, mein Junge, das kostet ja Geld!«
    »Das habe ich!« lachte er fröhlich auf.
    »Von wem?«
    Da wurde er schnell wieder ernst und antwortete:
    »Von Mutter, ehe sie starb. Die hat das Geld verborgt und ich bekomme monatlich die Zinsen. Vater zahlt sie mir aus, denn er ist der Verwalter. Ich darf das Geld nicht behalten; ich bin gezwungen, es auszugeben, aber nicht für mich, sondern für arme, alte, kranke Leute, die sich in Not befinden. So hat es Mutter gewollt und Vater muß mich machen lassen, was ich will. Er darf nur dann dreinreden, wenn er erfährt, daß ich das Geld anders verwende, als sie es mir befohlen hat. Aber das ist noch nie geschehen, denn ich habe Mutter lieb und denke bei jedem Piaster, den ich ausgebe, ob sie es wohl auch wie ich oder anders machen würde. Zwar habe ich mir gestern die zwanzig Franken von dir geborgt, ohne die Mutter vorher in meinem Innern zu fragen; aber das habe ich gestern abend, ehe ich einschlief, und heute früh, als ich erwachte, nachgeholt und nun weiß ich ganz genau, daß sie mit mir einverstanden ist und sich über Schamah und ihre Mutter freut. Wirst du nun das Geld zurücknehmen, Effendi?«
    »Ja,« antwortete ich und steckte es ein.
    Meine Frau füllte ihm zum Lohne für seine Seelengüte die Tasse zum zweitenmal. Er nahm einen Schluck und sprach weiter:
    »Ich werde mich ihrer sehr ernstlich annehmen. Ich führe sie an alle heiligen Orte, auch nach Bethlehem hinüber und wohin sie überhaupt wollen. Und wißt ihr, warum ich das tue?«
    »Aus Mitleid,« sagte meine Frau.
    »Ja, das dachte ich erst auch; aber als ich heute früh in mich hineinschaute, wie ich es immer mache, wenn ich an Mutter denke, da war es kein Mitleid, sondern etwas ganz anderes. Nur weiß ich nicht, wie ich es nennen soll, denn es ist in mir noch niemals dagewesen. Es ist fast wie eine Pflicht und doch auch wieder wie keine, aber jedenfalls etwas, was man sehr gern tut. Daß ich für Schamah und ihre Mutter mit aller Welt kämpfen würde, das habt ihr gestern gesehen; aber das ist noch viel, viel zu wenig; das ist noch lange, lange nicht das Richtige. Ich werde noch mehr darüber nachdenken, und wenn ich es gefunden habe, so sage ich es euch. Darf ich nun wieder gehen? Ich habe es nämlich sehr, sehr notwendig. Denkt doch nur: zu den Löwen, zu den Elefanten, zu den Nilpferden, zu den Walfischen und zu Abd en Nom! Und von diesem allem darf Vater nichts wissen!«
    »Weiß er, daß du zu uns gegangen bist?«
    »Fällt mir nicht ein! Wenn er erführe, daß man zu euch kommen darf, wie es einem beliebt, so würdet ihr ihn den ganzen Tag nicht los, denn er hat euch gern, außerordentlich gern! Also Allah schütze euch; ich gehe!«
    Er trank seine Tasse aus, reichte uns die Hand, öffnete die Tür, ging hinaus, blieb stehen, sann einen Augenblick nach, kam wieder herein, zog die Tür fest hinter sich zu, als ob er uns etwas sehr Heimliches anzuvertrauen habe, und sagte:
    »Etwas muß ich euch noch fragen: Ist es nicht ein Unsinn, daß man mich daheim den ›Auserwählten‹ nennt?«
    »Wie

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