Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen
nicht, sondern der Staatsanwalt, der euch den Steckbrief eines Verbrechers sagt, auf den das Gericht schon lange vergeblich wartet.«
Seine Augen bohrten sich in das Gesicht des Wirtes, als er fortfuhr:
»Ich bin ein Falschmünzer. Wer hat mich dazu gemacht? Etwa das Geldmännle? Nein, denn das war nur der Schluß. Wer ist das Geldmännle? Ich weiß es nicht, aber ich ahne es. Gott sei ihm gnädig, wie er mir gnädig sein mag! Ich habe es jetzt mit dem Manne zu tun, der mich mit aller Absicht und Berechnung auf die Falschmünzerei vorbereitet hat. Er kam zu mir und bot mir seine Freundschaft an, die mich zu Trunk und Spiel verleitete. Er führte mich zu Prozessen, die ich verlieren mußte; er aber gewann sie als der verborgene Hintermann. Er setzte meiner Tochter teure Mücken in den Kopf und zog mir mein treues, fleißiges Gesinde aus dem Hause. So ging es schnell bergab mit mir, weil ich der Hilfe traute, die er mir fest versprach. Aber als er den letzten blanken Taler von mir bekam, den ich besessen hatte, da zeigte er mir sein richtiges Gesicht. Der Freund war weg, und mit ihm mein ganzer, schöner, lieber Neuberthof. Er ließ mich zwar drin sitzen, doch war dies nur zum Schein. Da bekam ich ein Schreiben vom Geldmännle. Es verhieß mir schnelle Hilfe. Der Hof könne schon in kurzer Zeit wieder mein Eigentum werden. Ich griff zu. Wer mich darüber steinigen will, der lasse es bleiben, denn ich steinige mich selbst! Man hat mich auf der Tat ertappt. Warum? Ich wurde angezeigt. Von wem? Von demselben Manne, dem ich meine Freundschaft mit dem Geldmännle verdanke! Ich komme heute zu ihm, um ihn einzuladen, mit mir vor Gericht zu gehen, nicht als Zeuge gegen mich, sondern als mein Angeklagter, denn ich bin in diesem Augenblicke der Staatsanwalt. Ich komme eher hin als er; die Gendarmen haben mich ja schon. Aber ich fordere ihn auf, mir nachzufolgen. Ich versichere ihm bei dieser und auch bei jener Gerechtigkeit, daß mit ihm genau, ganz genau dasselbe geschehen wird, was hier mit mir geschieht. Und was das ist, das sollt ihr sogleich sehen!«
Er drehte sich schnell nach dem Schenktische um. Man sah, daß er die gefesselten Hände ausstreckte und dann kräftig wieder auf sich zu bewegte. Die Gendarmen wollten auf ihn zutreten; aber da wandte er sich auch schon wieder zurück, langsam, immer langsamer. Seine Hände lagen zu Fäusten gekrümmt, als ob sie etwas hielten, übereinander auf der Brust.
»Musterwirt,« stieß er mit rauher, zitternder Stimme hervor, »so stirbst auch du – – – genau – – – mit diesem Messer!«
Sein Gesicht wurde fahl. Er wankte. Seine Fäuste öffneten sich. Die geschlossenen Hände fielen nieder. Da sah man, was geschehen war. Er hatte sich das scharfe, spitze Fleischmesser, welches stets auf dem Schenktische bei den Tellern lag, in die Brust gestoßen. Nur der Griff schaute noch heraus. Ein langer, schwerer, röchelnder Atemzug – – – dann brach er tot zusammen. – – –
II.
Auf dem ganz, ganz, ganz kleinen Bergle saß ein kleines Männle. Das war aber nicht etwa heute, sondern vor einer Reihe von Jahren, die nun vergangen sind. Das Männle war der damalige Musterwirt, der immer, wenn sich niemand bei ihm befand, gar pfiffig und selbstzufrieden vor sich hinschaute, sobald aber andere bei ihm waren, hatte er ein stilles, frommes, in sein schweres Schicksal ergebenes Gesicht.
Das Bergle sah zu dieser Zeit ganz anders aus als jetzt, ganz wild und unkultiviert. Aus seinen Steinritzen ragten einige Tannen. Im übrigen war es ganz und gar von einem stachligen Dickicht überwuchert, welches aus Brom-und Himbeersträuchern bestand. Eine Brücke über das Wasser gab es auch noch nicht, sondern es lag nur ein alter Holzklotz da, auf dem man wie ein Seiltänzer hinüberbalancieren mußte. Das tat besonders die Schuljugend gern, und zwar der Beeren wegen, die man sich da gleich von der Ranke weg ins Mäulchen pflücken konnte. Nur durfte man sich nicht vom Musterwirt erwischen lassen, der es absolut keinem Menschen erlauben wollte, sein Bergle zu betreten. Er hatte sogar einen Pfändwisch mit einem Buschen Stroh darauf vor dem Steg errichtet; aber auch das hinderte die Jungens und Mädels nicht, von den verbotenen Früchten zu naschen, alldieweil die Jugend nun einmal keine Tugend hat. Man brauchte nur hübsch aufzupassen, wenn er kam. Da war man, husch, über den Steg hinüber und lachte ihn zu seinem Aerger auch noch aus, wenn er dann das Nachsehen hatte.
Es begab sich
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