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Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Titel: Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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man deutlich sehen, daß sie das, was er gesagt hatte, für irre Reden hielten. Er mochte das bemerken, denn er sah sie zwar freundlich, aber so von oben herab an, eine nach der anderen. Dann sprach er weiter:
    »Ich bringe euch hier meine Anna. Nehmt sie mit hinauf auf euer Bergle. Wir werden hier inzwischen fischen. Was, das werdet ihr erfahren, wenn wir fertig sind. Dann rufe ich euch. Jetzt geht!«
    Er sagte diese beiden letzten Worte in einem Tone, dem man gehorchen mußte. Die erste, die über das Brückle ging, war das Karlinchen, und zwar in auffallender Eile. Droben neben dem Tische stand ihr Frühstück, das allerdelikateste, was sie kannte. Sie hatte es nicht vergessen; aber sie sah es gar nicht an. Sie machte eine kurz entschlossene Schwenkung nach dem Stalle hin und verschwand in seinem Innern.
    »Das hat man auch noch nicht gesehen,« sagte die Mutter. »Sie muß doch außerordentlich schläfrig sein, sonst würde sie den Napf nicht stehen lassen!«
    Was hätte wohl das Karlinchen gedacht, wenn diese Worte in ihre Ohren gedrungen wären? Es soll zwar Geschöpfe geben, welche alles, was ihre Mitgeschöpfe tun, nur auf den Napf beziehen. Eine Ziege aber ist ein hochbegabtes Wesen. Und wenn ein solches Wesen an Quetschkartoffeln mit Roggenkleie und einer Prise Feldkümmel vorübergeht, ohne sogleich darüber herzufallen, wie geistig tiefstehende Personen sicher täten, so kann es dafür doch wohl noch ganz andere Gründe geben als nur Müdigkeit!
    Die Frauen hatten an dem Tische Platz genommen. Sie sprachen von dem Musterwirt. Was er tat, das sahen sie nicht. Manchmal kam eine der Stangen über die Büsche empor, welche an dem Innenufer des Baches standen. Seine heutige Art und Weise war ihnen ein Rätsel, welches ihre Gedanken lebhaft beschäftigte. Sie waren weder Psychologinnen, noch hatten sie von Psychiatrie wohl jemals etwas gehört. Für sie war er der gefürchtetste aller Feinde, der aber plötzlich und zuweilen die ganz unbegreifliche Macht zeigte, ihre Angst und Furcht in Liebe und Vertrauen zu verwandeln. Und diese Macht kam ihnen nicht im geringsten unheimlich vor, sondern so freundlich wie ein Licht, welches einem grauenhaften Dunkel die Schrecklichkeit benimmt.
    Jetzt erschien er unten am Brückle und winkte ihnen zu, hinabzukommen. Sie taten es. Er kam ihnen einige Schritte entgegen und sagte:
    »Ich möchte euch eine Leiche zeigen. Wird euch das aufregen?«
    Sie sahen ihn erschrocken an, ohne zu antworten. Sein Gesicht war ernst, doch dieser Ernst war fern von jeder Trauer. Man sah nicht einmal eine Spur von dem, was man Bedauern nennt. Und seine Stimme klang fast gleichgültig, als er weitersprach:
    »Es ist die Rosalia. Sie lag am Brückle da im tiefen Wasser, grad da, wo einst dein Mann gelegen hat, Marie. Wir haben sie herausgefischt. Wollt ihr sie liegen sehen?«
    »Nein, nein, nein!« riefen alle drei abwehrend aus.
    Sie waren entsetzt. Sie wollten das in Worten ausdrücken. Er aber schnitt ihnen diese Worte ab:
    »Schweigt! Ihr steht hier an Gerichtsstelle. Da spricht man nichts, was überflüssig ist. Ich bin der Staatsanwalt und habe euch zu fragen. Die Rosalia hat alle eure fünfzig Taler in der Tasche, auch den mit dem Uhrband. Das ist das Geld, wegen dessen der Musteranton ermordet worden ist. Die Untersuchung über diesen Mord kann also beginnen. Vor welchem Gericht? Es gibt ein irdisches und ein jenseitiges Gericht. Es soll auf euch ankommen, welchem von diesen beiden ihr die Nachforschung und das Urteil überlassen wollt. Uebergebt ihr es dem irdischen Gericht, so haben wir jetzt Anzeige bei der Polizei zu machen. Wollt ihr es aber dem Herrgott und seiner Gerechtigkeit überlassen, so nehmen die sogenannten Toten die Sache in die Hände und übergeben sie dem Richter, der niemals irrt und nie Unrecht spricht. Die Polizei sucht vielleicht jahrelang und wird wahrscheinlich den Täter nicht finden. Gott aber kennt ihn seit dem Augenblicke seiner Tat und hat ihn mir in die Hand gegeben. Ich fasse ihn beim Nacken wie eine giftige Natter, die nicht mehr beißen kann. Ich hebe ihn empor, hoch über eure Köpfe, damit alle Welt ihn deutlich sehen kann. Ich zerdrücke ihm den Kopf, in dem nur giftige Gedanken wohnen konnten. Und was kein irdischer Richter tut, weil er es nicht vermag: Ich leiste Ersatz für alles, was er verbrochen hat, sogar für seine sogenannten Morde. Denn jeder, der bei diesem Strafprozeß die Augen offen hat, der muß erkennen, daß grad die Ermordeten es sind,

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