Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen
Stück Ausstellungskuchen bekam, welches auf dem Teller lag. Dann zählte der Mexikaner auf einem anderen Teller eine ganze Menge Banknoten vor, denn er hatte den sämtlichen Spitzenvorrat des Herzle aufgekauft und dazu eine Bestellung gemacht, welche auf Jahre hinaus sehr lohnende Arbeit gab. Das war die erste Frucht des klugen Versuchs der hiesigen Bevölkerung, sich von dem unlauteren Kapitale zu befreien und auf die eigenen Füße zu stellen.
Ehe der Herr Lehrer sich mit den Herrschaften wieder entfernte, sagte er, das Herzle brauche ihr eigenes Klöppelkissen nicht mit nach dem Kirchenplatze zu bringen. Es sei für ein anderes gesorgt, welches sie im Festzuge zu tragen habe.
Der Tag verging in Ruhe, zwar nicht für das Dorf, doch aber für das Bergle. Gegen die Dämmerungszeit kam die Anna. Sie war von ihrer Gönnerin, der Frau Pastorin, eingeladen worden, einige Tage auf dem Pfarrhofe zu wohnen, um inmitten des Festes zu sein. Kurze Zeit darauf ging noch eine andere Person gerade über die Wiese und auf das Brückle zu. Das war der Musterwirt. Er blieb am Bache stehen und starrte in das Wasser, finster, mit fast drohenden Augen.
Von rechts her, wo droben die Waldwiese liegt, kam der Lehrer. Er hatte den Platz für das Schulfest inspiziert und sah Herrn Frömmelt stehen. Es zog ihn zu ihm hin.
»Hier ging sie in das Wasser,« sagte der Wirt, als sie sich begrüßt hatten. »Genau da, wo ich mein Verbrechen in dasselbe Wasser warf! Es kam in ihrer Gestalt zurück und legte sich mir aufs Bett. Seitdem habe ich keine Stunde geschlafen, keinen einzigen Augenblick. Ob ich wohl jemals wieder schlafen werde? Vielleicht niemals, in alle Ewigkeit! Ich werde es erfahren, und zwar sehr bald – – – sehr bald!«
»Das ist der Musterwirt, nicht der Neubertbauer,« dachte der Lehrer. »Da oben sitzt die Anna. Vielleicht bringe ich ihn durch sie dazu, sich in ihn umzuwandeln!«
Er bat ihn, mit nach dem Häusle zu kommen.
»Nein, nie!« antwortete da der Wirt heftig. »Das Brückle ist die Grenze zwischen Gut und Bös! Der Gute kann herüber, der Böse aber nicht hinüber! Es ist leichter, viel, viel leichter, daß ein Guter bös, als daß ein Böser gut werde!«
»Aber Sie waren ja schon drüben!«
»Ich?! Wann?«
»Als Sie das Geld brachten, welches Sie der Leiche Ihrer Tochter aus der Tasche genommen hatten.«
»Ich? Ich – –? Ich – – –?« rief er fast schreiend aus. »Ich hätte es gebracht? Nicht die Rosalia?«
»Ja, Sie, Sie selbst!«
»Und wer hat die Quittung verlangt?«
»Auch Sie selbst. Sie haben sie sogar diktiert!«
Da war es, als ob der Wirt zusammenbrechen müsse. Er hielt sich an den Lehrer fest.
»So hat sie – – – gar nicht in – – – das Wasser gewollt!« hauchte er, indem sein Kopf schwer nach vorn fiel. »Sie ist – – – keine Selbstmörderin, sondern sie ist – – – sie wurde – –«
Er sann – – – er lauschte – – – wie in sich selbst hinein. Dann hob er mit einem Male wieder den Kopf, richtete sich auf und fuhr hastig fort:
»Das war nicht ich, der das tat, sondern der Neubertbauer! Ich habe ihn zum Trunk, zum Spiel verführt, zum Spiel, um ihn zu betrügen. Da hat er sich gerächt! ›Geist gegen Geist!‹ So hat er in der Kirche gesagt, als er in meinem Leibe auferstand. Ich habe es erfahren! Ein abgeschiedener, freier Geist gegen einen Geist, der noch den Körper hat, der noch in Fesseln liegt! Da mußte ich das Spiel verlieren! Er hat mit mir genau eine solche Dame gespielt, wie damals der Musteranton mit meinem Schwiegervater, und hat das Spiel gewonnen. Der Preis war meine Beichte. Ich war betrunken von mir selbst, wie dort mein Schwiegervater von seinem eigenen Weine! Ich bildete mir ein, durch diese meine Beichte für hier und jenseits zu siegen. Und grad durch diese Beichte habe ich alles, alles verloren, sogar vielleicht mich selbst! Der Musteranton hatte seine beiden Damensteine grad auf das Mittelfeld gestellt. Da war das Spiel aus! Und der Neubertbauer hat Sie, seinen besten Damenstein, in meine Kammer gesteckt, damit Sie alles hörten. So ging auch dieses Spiel verloren! Und doch habe ich geglaubt, der beste Spieler zu sein, den es nur geben kann! Herr Lehrer, mir ahnt, mir ahnt etwas! Wenn Menschen es wagen, gegen Mächte zu spielen, die sie nicht begreifen und nicht fassen können, so werden sie zwar manche geringe Partie gewinnen, die wichtigste aber, die größte, die letzte, auf die alles ankommt, nie – – nie – – –
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