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Brenntage - Roman

Brenntage - Roman

Titel: Brenntage - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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    Einmal im Jahr traten die Menschen der Siedlung geschlossen vor ihre Häuser, die meisten lebten und wohnten in meiner Nähe, wir sahen gebannt zu, wie irgendein Verwaltungsbeauftragter gemächlich die Straße entlangschlenderte, um (pünktlich) unseren Unrat abzuholen, alle ermahnten sich gegenseitig, nichts zu vergessen. Wir lebten in einer ärmlichen, jedoch liebenswerten Gegend, mit blickdichten Zäunen und immergrünen Hecken, vieles war mir seit jeher vertraut, sogar die Amseln unserer Siedlung konnte ich voneinander unterscheiden, beinahe alle Vögel, die sich hierherverirrten, kannte ich schließlich beim Namen. Als hätte sie jemand mit weithin sichtbaren Brandzeichen versehen, erkannte ich deutlich die erhabenen Initialen (wie bei Kühen und Kälbern auf irgendwelchen Weiden), etwa «BH», «EH», «KF» und so weiter, schon immer vermutete ich ein Geheimnis dahinter, als ob sie etwas in sich trugen und bewahrten würden, das es nur zu entziffern galt.
    Einmal im Jahr verschwand aller Unrat aus unseren Häusern, der sich nur zu gerne in den Ecken und Kellern anhäufte, mein Onkel meinte noch mahnend …
bloß nichts davon übersehen!
Man darf niemals vergessen, Entbehrliches und Verderbliches wegzuschmeißen, es anderswo zu deponieren, die Verwaltung war ohnehin zu nichts anderem zu gebrauchen. Einmal im Jahr räumten und schleppten wir demnach allerlei Gerümpel in unseren Garten, und all das, was die Behörde nicht haben oder entsorgen wollte, blieb unser Problem … Wir nahmen Streichhölzer und Feuerbeschleuniger und taten, was getan werden musste. Der Onkel (sichtlich stolz) sprach von den
Brenntagen
, und irgendwann nahmen sich alle Nachbarn in unserer Straße einBeispiel, sie verbrannten Zeitungen und Möbelstücke, Gartenabfälle und Essensreste, Matratzen und Gummiwaren, sogar die einst so gern getragene und nunmehr verschlissene Kleidung übergab man der Obhut der Flammen.
    Später sprach man sogar vom Brauchtum, am ersten Tag des Herbstes wurden fortan die Brenntage begangen, die ganze Siedlung war schon in aller Früh auf den Beinen, und pünktlich, wenn die Sonne sank, ging die Vergangenheit (und als solche waren die allerlei unnütz gewordenen Dinge zu sehen) in Flammen auf. Lauffeuer züngelten entlang der Gassen und Gässchen, in ihrem Schein sah ich die Nachbarn, die entfernten Verwandten und Bekannten, allesamt guter Stimmung und voller Inbrunst.
    Die Brenntage sind das Beste, was unserer Siedlung passieren konnte
, behauptete mein Onkel, sichtlich stolz, Urheber dieses Spektakels zu sein, das tatsächlich auch einen praktischen Nutzen hatte. Was das Feuer verschmähte, Metallteile, Steingut und Ähnliches, wurde anschließend im Garten vergraben, gleich neben den Grill- und Feuerstellen. Mit nahezu religiösem Eifer hoben die Menschen unserer Siedlung Gräben und Gräber für ihre Vergangenheit aus, darin landeten Matratzenroste und Kachelöfen, Motorenteile und Rasenmäher, Mikrowellen, Kleiderbügel, und was sonst noch das Herz nun nicht mehr begehrte.
    An meinen ersten Brenntagen verbrannte ich alte Kuscheltiere, irgendwann in Ungnade geraten, ausgediente Relikte einer immer ferner gewordenen Kindheit, manchmal fordernd, bisweilen glücklich, ich kann mich viel zu gut daran erinnern. Nach und nach übergab ich sie den Flammen, dieStoffhasen und Katzen, Drachen und Plüschbären, kein Einziges sparte ich auf oder hielt es zurück. Ein seltsamer (und merklicher) Ruck ging durch ihre Körper, kurz bevor sie die Flammen vollends erfassten, blickten sie mich vorwurfsvoll an, braune, grüne und schwarze Knopfaugen, die einst mit mir lebten, irgendwann in Vergessenheit gerieten und nunmehr langsam verkohlten.
Viele Erwachsene bringen es nicht übers Herz, sich ihrer Stofftiere zu entledigen
, sagte der Onkel, und er drängte mich, mir alles wohl zu überlegen,
du gibst eine Welt auf, weißt aber nicht, ob es für eine neue langt … und schon gar nicht, ob du darin Halt findest!
    Oft genug betonte er, dass die neuen Welten gegen die alten nicht ankamen, dass früher alles besser war, dass die Menschen damals noch ihren Tatendrang auslebten, dass sie Prinzipien und Träume hatten,
sie ließen sich noch von Ehrgefühl leiten, keinesfalls waren sie so gesättigt und verdorben wie unsere Nachbarn
. Der Onkel wandte seinen Kopf einem der nahen Häuser zu, am Fuße des nächsten Hügels stand eine Villa (die ich allerdings als baufälliges Stockhaus in Erinnerung hatte) …
dort, wo unsere

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