Abendfrieden
Danzik, allerdings ein bisschen verquollen. Schade, dass sie so dick ist. »Bitte«, sagte Anja Holthusen und wies mit einer ungeschickten Geste zum Wohnzimmer. Offensichtlich konnte sie sich nicht entscheiden, ob sie voraus gehen oder den Kommissaren den Vortritt lassen sollte. Sie entschied sich für letzteres. »Darf ich Ihnen einen Tee anbieten? Oder ein Wasser?«
»Wenn ich einen Kaffee haben könnte«, bat Tügel. »Kaffee gibt es hier leider nicht.«
»Torsten, wir sind im Hause eines Tee-Importeurs. – Nein, danke, bitte gar nichts«, sagte Danzik für sich und seinen Kollegen. So, wie sich Anja Holthusen bewegte, würde das Einschenken für sie zur qualvollen Hürde werden.
Sie setzten sich auf die Sofas. Anja Holthusen hing auf der Kante, in ihren Augen wanderte ständig eine Unruhe hin und her. Warum ist sie denn bloß so ängstlich und aufgeregt, dachte Danzik, sie würde ihre Schwiegermutter ja wohl kaum ermordet haben. Andererseits – wer sollte es denn überhaupt getan haben? Weit und breit war kein Verdächtiger in Sicht, es sei denn, das Nahe liegende, das man so oft ausschloss, war am Ende doch des Rätsels Lösung. In jedem Fall mussten sie mit dieser Befragung irgendeinen Schritt weiter kommen. Am besten, er fing erst mal unverfänglich an und ließ sie selbst außen vor. »War Ihre Schwiegermutter in letzter Zeit krank, oder hatte sie ein chronisches Leiden?«
»Nein, sie war vollkommen gesund. Sie war sogar topfit.« Zum ersten Mal schlich sich in Anja Holthusens müdes Gesicht ein Zug von Aggression.
»Inwiefern?«
»Sie sprang jeden Tag in ihr Cabrio, preschte den Harvestehuder Weg runter und ging in Pöseldorf zum Shoppen.«
»Pöseldorf Schnöseldorf«, bemerkte Tügel.
»Torsten! – War sie hier zu Hause auch so dynamisch?«
»Kann man sagen.« Anja Holthusen wurde lebhafter. »Sie hat hier natürlich das Regiment gehabt. Sie hat bestimmt, was gekocht wird und wehe, irgendeine Vase oder Obstschale oder der Salzstreuer standen nicht am richtigen Platz.«
»Wie war Ihr Verhältnis zu Ihrer Schwiegermutter?«
»Normal.« Anja Holthusen wurde wieder etwas wortkarger.
»Hat sie Sie rumkommandiert?«
»Ja, schon.«
»Haben Sie daran gedacht, mit Ihrem Mann auszuziehen?«
»Nein.« Anja beugte sich zu einer Glasetagere und griff nach einer Praline.
Vorsicht, sagte sich Danzik und kehrte noch mal zum Thema Krankheit zurück. »Nahm Ihre Schwiegermutter Medikamente, oder gab es kleinere gesundheitliche Schwächen?«
»Nein, sie nahm überhaupt nichts. Manchmal hatte sie so leichte Schwindelanfälle, dabei wurde ihr schwarz vor Augen. Der Arzt konnte aber nichts feststellen. Sie hat sich dann nur ordentlich geschüttelt und gleich weiter gemacht. Du solltest das Autofahren aufgeben, hat Thomas – also mein Mann gesagt –, weil es ja auch beim Fahren vorkam. Aber da ist sie furchtbar wütend geworden und hat gesagt: Und wenn? Dann sterb ich eben am Steuer.«
Anja Holthusen sah den Kommissar wieder ängstlich an. Offensichtlich überlegte sie, ob sie zu viel gesagt hatte.
»Wie war das Verhältnis von Herrn und Frau Holthusen zueinander?« Danzik vermied es, das Wort »Ehe« zu gebrauchen.
»Normal.«
»Gingen sie liebevoll miteinander um?«
»Liebevoll?« Anja Holthusen sah den Kommissar erstaunt an. »Nein, das bestimmt nicht. Sie sagte, mach dies, mach das, und er hat es geschluckt. Gestritten hat er nie mit ihr. Nur einmal, wegen dieser Sache mit dem Galeristen – Sie haben das in der Zeitung gelesen?«
»Ja.«
»Da ist er ausgerastet und hat geschrieen, sie würde seinen Ruf beschädigen.«
Danzik nickte seinem Kollegen zu. »Wann haben Sie Ihre Schwiegermutter zuletzt gesehen?«, fragte Tügel. »Am Donnerstagvormittag um elf Uhr. Ich bin an dem Tag schon früh weg. Ich hab mich mit meiner Freundin um halb zwölf auf einen Kaffee im ›Petit Café‹ getroffen, dann waren wir in Eppendorf beim Einkaufsbummel. Um 13 Uhr haben wir im ›Tessajara‹ zu Mittag gegessen, dann sind wir im Hayn Park spazieren gegangen. Um 17 Uhr sind wir wieder ins ›Petit Café‹ zurück und haben da Kuchen gegessen –«
»Klasse Kuchen, nicht? Ofenfrischer, warmer Fruchtstreuselkuchen. Kenn ich doch.«
Anja Holthusen blickte leicht irritiert. »Ja. Also, das war um 17 Uhr. Dann sind wir zu meiner Freundin in ihre Wohnung in der Isestraße gegangen, haben geklönt und so. Um 19 Uhr hat sie dann Abendessen gemacht, und um 21 Uhr war ich wieder hier am Leinpfad.«
»Sehr gut, Frau
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