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Abendfrieden

Abendfrieden

Titel: Abendfrieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Buttler
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aussichtslosen Situation, dass sie in der Sauna Anja kennen gelernt hatte. Anja Holthusen, die Frau eines Tee-Importeurs, der im Freihafen das Geschäft seines Vaters übernommen hatte. Anja ging es ja noch viel schlechter als ihr. Deren Schwiegermutter Elisabeth terrorisierte sie mit ihrem Perfektionismus so sehr, dass Anja schon einmal in einer Psycho-Klinik gelandet war. Es war Flucht und Zuflucht zugleich gewesen. Eine sensible, gebildete Frau, dachte Regine erneut. Sprachlehrerin war sie gewesen, man konnte so viel von ihr lernen, Dinge über Ausdrücke und Wortverwandtschaften, von denen sie noch nie gehört hatte. Sie musste Anja stützen und auch schützen, sonst endete deren Depression noch in – Selbstmord.
    Etwas unternehmen. Regine ballte die Fäuste. Aggressiv statt depressiv sein. Damit hatte sie ja schon erfolgreich begonnen …
    Gegen sieben Uhr am Abend hörte Regine den Schlüssel im Schloss. Norbert. Das war für seine Verhältnisse schon eine frühe Zeit, wenn man bedachte, dass er sich meist bis in die Nachtstunden im Institut verkroch. Vielleicht war es ihm langweilig geworden? Dass er dort noch arbeitete, konnte er jemand anderem erzählen. Wahrscheinlich saß er nur da und las, bis ihm die Augen zufielen und er aufschreckend feststellte, dass er zum Schlafen doch mal den Platz wechseln musste.
    Amalie Mewes hatte sich heute zu einem Empfang auf Krücken entschlossen und erwartete ihren Sohn schon am Abendbrotstisch. Er streifte ihre hingehaltene Wange und setzte sich. Regine rumorte in der Küche und stellte Geschirr, Brot, Aufschnitt und so weiter auf der Durchreiche ab. Dann ging sie aus der Küche zur Essecke im Wohnzimmer herum und setzte die Sachen von der Durchreiche auf den Tisch. Eine Terrine mit Tomatensuppe stand auch schon dort, und Regine füllte die Teller. »Immer Suppe«, sagte Amalie Mewes und verzog das Gesicht. »Schmeckt dir das, Nobby?«
    Der Angesprochene antwortete nicht.
    Schweigend löffelten alle drei ihre Suppe, dann, nach einer Zeit, die sie angemessen fand, sagte Regine: »Norbert, ich möchte gern mal ausspannen und für zwei Wochen nach Abano in ein Thermal-Hotel fahren. Für die Zeit würde meine Tante die Betreuung deiner Mutter übernehmen, ich habe schon mit ihr gesprochen.«
    »Ist das nicht etwas lang?«
    »Finde ich nicht. Wenn man bedenkt, dass ich hier Tag für Tag –«
    »Was, diese alte Schabracke willst du mir ins Haus schicken?« Norberts Mutter schlug ihr Messer auf den Tisch. »Das kommt überhaupt nicht in Frage, das dulde ich nicht!«
    »Aber Tante Sophie ist doch sehr nett und korrekt und hat auch die Zeit dafür«, wandte Norbert ein. »Nein, sie ist grässlich und geht mir mit ihrem süßlichen Getue auf die Nerven.«
    »Aber wenigstens für eine Woche solltest du es akzeptieren.«
    »Ich akzeptiere gar nichts«, sagte Amalie Mewes störrisch. »Außerdem bin ich es nicht gewohnt, wenn hier jemand Fremdes herumräumt.«
    »Aber sie ist doch nicht fremd –«
    »Nein, ich will das nicht. Die kennt sich auch mit den Medikamenten nicht aus.«
    Die Schwiegertochter soll bleiben, dachte Regine bitter, ausgerechnet die Schwiegertochter, die ihr und ihrem Nobbylein doch angeblich so im Wege ist. Abano und das Kur-Hotel mit allen Wellness-Schikanen konnte sie sich abschminken. Und wenn sie Rügen nahm? Psychologisch vielleicht geschickter, weil es näher war. Aber sie brauchte Italien. Nicht nur für den Rücken, sondern vor allem für die Seele. Und wenn sie nun einfach losfuhr? Es darauf ankommen ließ, dass hier alles zusammenbrach?
    Sie räumte den Tisch ab und sah, wie ihr Mann zu einer Zeitschrift griff. Noch eine Minutenfrist, dachte sie, bis ich abgewaschen habe, dann krieg ich dich dran. »Bitte komm mal mit nach oben«, sagte Regine.
    Norbert produzierte nur ein paar Stirnfalten.
    »Wieso nach oben?«, empörte sich Amalie Mewes. »Nobby und ich wollen jetzt fernsehen. Du kannst ja machen, was du willst. – Nobby, es gibt heute ›Mare TV‹, das magst du doch so gern, diesmal mit einem Bericht über den Mississippi.«
    Norbert sah von seiner Frau zu seiner Mutter und wieder zurück. Dann stand er ächzend auf. »Was ist denn noch?«, fragte er, als Regine ihn in ihrem Zimmer zum Sitzen aufforderte.
    »Ich wollte nur noch mal wissen, ob ich wenigstens eine Woche weg kann oder ob es wieder mal definitiv nach deiner Mutter geht.«
    Norbert bemerkte die angestaute Wut in ihrem Gesicht und entschloss sich, mit der Soft-Methode zu reagieren, da

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