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Abendfrieden

Abendfrieden

Titel: Abendfrieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Buttler
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Schwiegermutter die Scherben zusammenkehrte, flog noch der Teller hinterher, und ein Marmeladenbrot, ein Schinkenbrot und ein Ei zermatschten auf dem Boden.
    Regine stand auf und sah die im Rollstuhl Sitzende in sprachloser Wut an.
    »Was stellst du das auch so kipplig hin, gerade konnte ich noch das Tablett festhalten.« Amalie Mewes schüttelte leicht den Kopf. »Das hast du absichtlich getan!« Regines Gesicht war rot angelaufen. »Glaubst du, ich mach dir jetzt noch einmal Frühstück?«
    »Das wirst du wohl müssen. Du weißt genau, dass ich mit meiner Arthrose nicht mehr so gut greifen kann.«
    Regine fühlte einen unbezwingbaren Impuls zuzuschlagen. Stattdessen presste sie die Lippen zusammen. Jetzt bloß nicht durchdrehen. Wenn sie wenigstens schreien dürfte. Aber sie durfte nichts riskieren, gar nichts. Die Alte könnte einen Herzanfall kriegen oder vielleicht sogar sterben, und dann war sie schuld, dann würde Norbert sie zur Rechenschaft ziehen. Nur ein einziges Mal, an Silvester, war es ihr richtig gut gegangen. Sie hatte Norbert in eine Hoteldisco mitgeschleift, und da hatte sie, akustisch zugedröhnt und Haut an Haut mit fremden Menschen, so tobend getanzt, dass sie es ungehört hatte tun können: schreien und immer wieder schreien. Mit allem, was ihr Körper hergab, über jede Grenze hinaus …
    Bei einem Fitness-Studio hatte sie sich neulich erkundigt, ob sie Sandsäcke zum Boxen hätten. Man hatte verneint, sie aber auf ein Studio für Geschäftsleute verwiesen, in dem Manager regelmäßig auf solche Säcke einschlugen. Der Saunatag mit Anja reichte eben nicht. Anja. Wie sich die Freundin wohl fühlte? Sie musste anrufen.
    In wütender Eile warf Regine noch einmal die Utensilien zum Frühstück zusammen und brachte das Tablett zu ihrer Schwiegermutter. »Hier! Und guten Appetit!«
    »Du hast die Zeitung vergessen.«
    »Bekommst du später. Alles zu seiner Zeit.«
    Ah, ja, die Zeitung. Regine holte das »Hamburger Abendblatt« aus dem Briefkasten und setzte sich an den Küchentisch. Erneut schenkte sie sich eine Tasse Kaffee ein. Als sie den Lokalteil aufschlug, machte ihr Herz einen Aussetzer. Unter einem Porträtfoto von Elisabeth Holthusen folgende Nachricht: »MORD AM LEINPFAD. In ihrer Villa am Leinpfad wurde letzten Donnerstag Elisabeth Holthusen (78), Ehefrau des ›Teekönigs‹ Henri Holthusen, tot in ihrem Badezimmer aufgefunden. Die Polizei geht von einer Vergiftung mit Medikamenten aus. Wer ein Motiv für die Tat gehabt haben könnte, ist nach Aussage der Polizei noch völlig unklar. Rätselhaft sind außerdem Einbruchsspuren an der Terrassentür, da nichts geraubt wurde. Die Tote hatte sich als Malerin für Blumenbilder einen Namen gemacht und hinterlässt außer ihrem Ehemann den einzigen Sohn Thomas, der als Nachfolger seines Vaters das traditionsreiche Tee-Imperium leitet.«
    Regine faltete die Zeitung zu. Elisabeth Holthusen war tot – was für eine Nachricht! Sie musste Anja anrufen, sicher brauchte die Freundin seelische Unterstützung. Wenn sie bedachte, wie Anja immer tiefer und tiefer in die Depression geglitten war, dann war schwer vorauszusehen, wie Lissy Holthusens Tod, oft von der Schwiegertochter gewünscht und nun tatsächlich eingetreten, auf sie gewirkt hatte. Regine ging in ihr Zimmer hoch und wählte die Nummer der Leinpfad-Villa. »Anja Holthusen.« Eine Stimme, leise, gedrückt und fast unhörbar.
    »Mensch, Anja, wo steckst du? Warum meldest du dich nicht? Ich bin’s, Regine. Wie fühlst du dich jetzt? Ich hab gerade die Zeitung gelesen.«
    »Ich auch.«
    »Und? Ist das nicht wunderbar? Das muss doch die große Befreiung für dich sein.«
    »Ich weiß nicht …«
    »Was weißt du nicht? Nun gut, am Telefon – aber innerlich musst du doch jubilieren. Ich sage dir, jetzt fängt ein neues Leben für dich an.«
    »Ich weiß nicht, Regine, ich glaub, wir sollten nicht am Telefon … Ich bin so furchtbar müde.«
    »Ja, die Erschöpfung all der Jahre kommt jetzt durch. Alles, was sie dir angetan hat, schlägt dich erst mal nieder. Du bist ja auch besonders sensibel. Wenn ich nur an deinen Zusammenbruch von neulich denke. Ich dachte schon, sie hätte dir was ins Essen getan.«
    »Das war psychisch. Behaupten sie jedenfalls immer.«
    »Na, dieser Quatsch hat ja nun ein Ende. Also, ein ganz klein wenig musst du dich doch freuen.«
    »Ich weiß, dass ich mich freuen sollte, aber ich warte immer noch drauf. Thomas ist so schrecklich verändert. Er spricht nicht mehr mit

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