Die Rache-Agentur
Kapitel 1
«Verstanden, Mrs Cooper-Adams. Es muss also perfekt sein. In diesem Fall benötigen wir ein Muster, damit wir dem Original so nah wie möglich kommen können.» Während sie einen Stift zückte, klemmte sich Georgie den Hörer unters Kinn und begann, die Einzelheiten in den Terminkalender einzutragen, der vor ihr auf dem Schreibtisch lag. Die schwache Herbstsonne warf einen goldenen Schein durch die Fenster in den Raum. Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang unglücklich und angespannt.
«… es geht um Leben und Tod, ist Ihnen das klar?»
«Natürlich», erwiderte Georgie beruhigend. «Das ist eine heikle Angelegenheit. Aber in unserer Agentur haben wir mit solchen, äh, Notfällen schon sehr häufig zu tun gehabt. Wir verfügen über die besten Spezialisten. Selbstverständlich gibt es üblicherweise eine Warteliste, doch da es sich um einen derart dringenden Fall handelt, denke ich, dass wir André noch heute einen Termin verschaffen können.»
Das erleichterte Seufzen am anderen Ende der Leitung entschädigte Georgie fast genauso sehr wie das durchaus üppige Honorar. «Können Sie nicht sofort jemanden schicken?», hakte Mrs C.-A. nach. «Ich möchte hier sein, wenn sie ihn abholen. Werden Sie ihn über Nacht dabehalten?»
Georgie hatte einige Mühe, ernst zu bleiben. «Packen Sie doch einfach eine Notfalltasche für ihn, nur um sicherzugehen. Gut, und …» – ein kurzer Blick auf den Terminplaner an der Wand sagte ihr, dass Flick in Kürze den Auftrag in Balham erledigt haben sollte; wenn Georgie sie nach Chelsea dirigieren könnte und ihre anderen Termine nach hinten verschob,würde es passen – «… in etwa vierzig Minuten wird jemand bei Ihnen sein. Hat André heute Morgen schon etwas zu sich genommen? Nein? Na ja, das macht wahrscheinlich nichts. Gut, dann gehen wir die Einzelheiten noch einmal durch.» Georgie sah auf ihre Notizen und rief dann die relevanten Daten am Computer auf.
«André ist jetzt viereinhalb Jahre alt, nicht wahr? Wie doch die Zeit vergeht. Trägt er im Moment seine natürliche Farbe? Hervorragend. Er ist also ein reinrassiger Bichon Frisé, und Ihre Wunschfarbe soll zu den Accessoires Ihres Armani-Outfits passen.» Georgie schüttelte den Kopf. Hatte sie all die Jahre an der Uni für Momente wie diesen verbracht? Sie biss sich in die Wange, damit die Kundin nicht hörte, dass sie kurz vor einem Lachanfall stand. «Wenn Sie uns Ihre Pumps und Ihre Handtasche bereitstellen könnten, werden wir alles für die optimale Farbabstimmung tun. Also gut. Wir halten Sie über jeden Schritt auf dem Laufenden. Und bis zu Ihrer Party ist er ganz sicher fertig.»
Nachdem sie Mrs C.-A. noch ein paar beruhigende Worte zugesäuselt hatte, legte Georgie auf und rieb sich die Augen. Es war gerade einmal elf Uhr, und sie hatte sich bereits mit einer Beschwerde über einen Babysitter herumgeschlagen, der den Familiencomputer zum Chatten mit seiner Freundin missbraucht hatte, und sich um eine Badezimmer-Überschwemmung gekümmert, die in die Decke der darunterliegenden Wohnung vorgedrungen war. Georgie drückte eine Kurzwahltaste, um Flick zu erreichen. Wie aus dem Nichts tauchte eine Tasse Kaffee vor ihr auf, deren Untertasse mit köstlichen deutschen Zimtkeksen beladen war. Irgendwie hatte Joanna, die treue Seele, ihr wieder einmal die Wünsche von den Augen abgelesen. Georgie hauchte ihr ein stummes Dankeschön zu und nahm dankbar einen Schluck Kaffee, während sie darauf wartete, dass Flick abnahm.
Flick war gerade auf einem ihrer regelmäßigen Jobs – bei Genevieve McKinnon, der verwöhnten Gemahlin eines knallharten und sehr wohlhabenden Anwalts aus der Stadt, die, obwohl sie mitten in Balham wohnte, so tat, als wäre sie die Herrin eines ländlichen Anwesens. Mit Hilfe von Flick und Georgie konnte sie ihrem Gatten die fleißige Hausfrau vorgaukeln, obwohl sie ihre Tage mit Shoppingtouren und Lunchterminen verbrachte, seitdem die Zwillinge im Internat waren. Sie war eine der ersten Kundinnen von Domestic Angels gewesen. In den vergangenen Jahren, seit sie sich mit ihrer Agentur selbständig gemacht hatten, kamen Flick und Georgie zwei Mal wöchentlich vorbei, um die Tiefkühltruhe mit selbstgekochten Mahlzeiten zu füllen, frische Blumen aufzustellen und Flechtkörbe mit nach Lavendel duftender Bügelwäsche im Haus zu verteilen, kurz: um die Illusion perfekt zu machen. Lediglich in der Urlaubszeit, wenn die McKinnons in St. Barth weilten oder zum
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