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Abendfrieden

Abendfrieden

Titel: Abendfrieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Buttler
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–«
    »Ich erwarte dich Punkt 19 Uhr. Zur Übergabe.«
    »Übergabe?«
    »Ja, natürlich, oder meinst du, ich werde hier bis Mitternacht die Stellung halten?«
    Nach weiterem unerquicklichem Hin und Her versprach Norbert, zu der geforderten Zeit einzutreffen.
    Als er kam, saß seine Mutter empfangsbereit im Rollstuhl und hielt ihm ihre Wange hin. Norbert neigte sich ein wenig vor und berührte sie nur mit seiner Schläfe. Regine beobachtete die Szene und registrierte wie immer, dass er seiner Mutter wenigstens nicht ähnlich sah: dunkles, immer ein wenig zu langes Haar, eine gerade schöne Nase, hellblaue Augen. Nur der Körper des 46-jährigen war schon recht füllig geworden, was seine 1,80-Meter Größe etwas beeinträchtigte. »Nobbylein«, schmollte seine Mutter. »Kannst du nicht jeden Tag so pünktlich sein? Du bist doch das Einzige, was ich habe. Und du ahnst ja nicht, was einem alles passieren kann, wenn man hier den ganzen Tag so allein und hilflos sitzen muss –«
    »Allein?« In Norberts Gesicht spiegelte sich eine unwirsche Abwehr. »Regine ist doch da …«
    »Ja, deine Regine.« Amalie Mewes sagte es so süffisant, dass ihre Schwiegertochter es vorzog, das Zimmer zu verlassen. »Ich muss dir was erzählen«, flüsterte die Alte und winkte ihren Sohn zu sich. »Deine Frau will mich umbringen.«
    »Was redest du denn da?« Norbert richtete sich auf. Mit Ekel im Gesicht bewegte er sich zur Tür. »Hier geblieben!« Die Alte haute auf die Rollstuhllehne. »Du denkst, deine alte Mutter ist nicht mehr klar im Kopf. Aber ich sage dir, was sie gemacht hat: Sie hat meinen Rollstuhl plötzlich über die Terrassentreppe geschoben, ich hing quasi über dem Abgrund und wäre fast runtergestürzt. Im letzten Moment hat sie dann den Rollstuhl zurückgezogen.«
    »Sie ist eben manchmal etwas forsch.«
    »So nennst du das. Nobby, du musst mich schützen.«
    Aber Amalie Mewes’ Sohn hatte schon die Tür erreicht.

3
    Danzik fühlte sich wohl in Lauras Schlafzimmer. Alles war in einem frischen Schilfgrün eingerichtet, die Atmosphäre erinnerte an einen Wintergarten: Chintz-Gardinen im Palmen-Dessin, üppig auslaufend bis auf den hellen Parkettboden, ein Bistrotisch mit zwei alten Thonet-Stühlen, seidig glänzende Bettwäsche. Über dem Bett ein violett leuchtendes Tulpenfeld in Acryl. So etwas konnten nur Frauen hinkriegen, dachte er. Das war nicht nur ein Schlafraum, »Wohnschlafzimmer« nannte man das, obwohl Laura ja auch noch ein Wohnzimmer hatte.
    Beide lehnten, aneinandergeschmiegt, an der gepolsterten Rückwand des Doppelbettes und genossen das ›Danach‹, allerdings ohne die obligate Zigarette. Geraucht hatten sie nie, daher vermissten sie es auch nicht. Herrlich, so ein freier Tag, dachte Danzik. Hoffentlich passierte nicht gerade heute was, und er wurde hier weggerufen. Wie sich Laura wohl fühlte? Aber jetzt bloß nicht quatschen oder gar fragen, das wäre das Letzte. Er jedenfalls fühlte sich phantastisch. Lebendig und wie aufgeweckt, dabei gleichzeitig tief zufrieden. So etwas hatte er seit seiner Scheidung vor elf Jahren nicht mehr erlebt. Gut, es hatte Begegnungen gegeben, aber sie waren belanglos und überflüssig gewesen, Zwischenspiele, die er schon wieder vergessen hatte.
    Er drehte sich lächelnd herum. »Ich liebe dich.«
    Laura lächelte zurück. Wie so oft nur mit den Augen. Dieses tiefe Blau, dachte er, ein Blau, bei dem man poetisch werden konnte. »Ich dich auch.« Sie machte eine Pause. »Und weißt du, warum ich dich jetzt noch mehr liebe? Weil du es gesagt hast, weil du es ausgesprochen hast.«
    »Hmm.«
    »Ja, die meisten Männer können das nicht. Liebe und Krankheit – die großen Tabuthemen der Männer.«
    »Meine kluge Medizinjournalistin – wenn du das sagst, wird es stimmen. Dabei fällt mir ein« – Danzik griff nach einem Tütchen auf dem Nachttisch – »dass ich als Allergiker einen Bronchialbonbon gebrauchen könnte.«
    »Gib mir auch einen.« Wie aufs Stichwort fing sie plötzlich an zu niesen. Dreimal hintereinander. Dann konnte sie wieder reden. »Das ist der Staub über der Heizung, das reicht schon. Man braucht nur aufzudrehen, und schon –«
    »Ja, ohne kommt man aber schlecht aus. Für März ist es doch noch saukalt. Und wenn man Liebe am Nachmittag macht …«
    »… will man auch nicht frösteln.« Laura lachte. »Du musst es ja wissen – bei deinem Erfahrungsschatz.« Dann schob sie sich langsam den Bonbon in den Mund. »Halb so wild. Du bist ja auch nicht

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