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Abendstern - Roman

Abendstern - Roman

Titel: Abendstern - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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also kein Problem.
    Ohne Gewissensbisse öffnete er die Brieftasche seines Vaters und nahm sich drei einzelne Dollar und einen Fünfer heraus.
    Er betrachtete seinen Vater, während er sich die Scheine in die Hosentasche stopfte. Bill lag breitbeinig auf dem Bett, ausgezogen bis auf die Boxershorts, und schnarchte mit offenem Mund.
    Der Gürtel, mit dem er seinen Sohn am Abend zuvor
bearbeitet hatte, lag neben seinem Hemd, seiner Jeans und seinen schmutzigen Socken auf dem Fußboden.
    Einen Moment lang, einen winzigen Moment lang, stieg das wilde Verlangen in Gage auf, den Gürtel zu ergreifen und ihn fest über den nackten, schwabbeligen Bauch seines Vaters klatschen zu lassen.
    Wie würde dir das wohl gefallen?
    Aber dort auf dem Tisch, neben dem überquellenden Aschenbecher und der leeren Bierflasche stand das Bild von Gages Mutter, die ihn anlächelte.
    Die Leute sagten, er sähe aus wie sie - die dunklen Haare, die grünen Augen, der volle Mund. Zuerst war es ihm peinlich gewesen, mit einer Frau verglichen zu werden. Aber in der letzten Zeit, seit das Foto von ihr die deutlichste Erinnerung an sie war, da er ihre Stimme nicht mehr hören oder sie riechen konnte, gab es ihm Kraft.
    Er sah aus wie seine Mutter.
    Manchmal stellte er sich vor, der Mann, der sich die meisten Abende sinnlos betrank, wäre nicht sein Vater.
    Sein Vater wäre klug, tapfer und wagemutig.
    Aber dann blickte er seinen Alten an und wusste, dass das Blödsinn war.
    Er zeigte seinem Vater den Stinkefinger, als er das Zimmer verließ. Seinen Rucksack musste er in der Hand tragen. Bei den Striemen auf dem Rücken war nicht daran zu denken, ihn umzuhängen.
    Er ging über die Außentreppe nach unten und hinters Haus, wo sein altes Fahrrad angekettet stand.
    Trotz seiner Schmerzen musste er grinsen.

    Für die nächsten vierundzwanzig Stunden war er frei.
     
    Sie wollten sich am westlichen Stadtrand treffen, wo der Wald bis an die Straße reichte. Der Junge aus der Mittelschicht, das Hippie-Kind und der Sohn des Säufers.
    Sie hatten alle drei am gleichen Tag Geburtstag, am siebten Juli. Cal hatte seinen ersten Schrei im Kreißsaal des Washington County Hospitals ausgestoßen, während seine Mutter keuchte und sein Vater weinte. Fox war im Schlafzimmer des alten Farmhauses direkt in die wartenden Hände seines lachenden Vaters geschlüpft, während Bob Dylan sang »Lay, Lady, Lay« und lavendelduftende Kerzen flackerten. Und Gage war in einem Krankenwagen, der die Maryland Route 65 entlangraste, zur Welt gekommen.
    Gage war als Erster da. Er stieg ab und schob sein Fahrrad zwischen die Bäume, wo niemand es sehen konnte.
    Dann setzte er sich auf den Boden und zündete sich seine erste Zigarette an diesem Tag an. Ihm wurde immer ein bisschen übel davon, aber der Akt des Anzündens entschädigte einen dafür.
    Er saß da und rauchte und stellte sich vor, er befände sich auf einem Gebirgspfad in Colorado oder im heißen südamerikanischen Dschungel.
    Irgendwo, nur nicht hier.
    Er hatte gerade den dritten Zug genommen und vorsichtig inhaliert, als er ein weiteres Fahrrad näher kommen hörte.

    Fox schob Blitz durch die Bäume. Sein Fahrrad hieß so, weil sein Vater Blitze auf die Stangen gemalt hatte.
    In dieser Hinsicht war sein Dad ganz schön cool.
    »Hey, Turner.«
    »O’Dell.« Gage streckte ihm die Zigarette entgegen.
    Sie wussten beide, dass Fox sie nur nahm, weil er sonst als Weichei gegolten hätte. Er nahm einen schnellen Zug und reichte sie Gage dann zurück. Gage wies mit dem Kinn auf die Tasche am Lenker von Blitz. »Was hast du dabei?«
    »Little Debbies, Nutter Butters und TasteKake Pie, Apfel und Kirsche.«
    »Toll. Ich habe drei Dosen Bud für heute Abend.« Fox fielen fast die Augen aus dem Kopf. »Kein Scheiß?«
    »Nein, kein Scheiß. Mein Alter war voll. Das merkt der gar nicht. Ich habe auch noch was anderes. Das Penthouse vom letzten Monat.«
    »Nicht dein Ernst!«
    »Er versteckt es immer unter der schmutzigen Wäsche im Badezimmer.«
    »Lass mal sehen.«
    »Später. Wenn wir das Bier trinken.«
    Sie blickten auf, als Cal mit seinem Fahrrad über den unebenen Weg kam. »Hey, Schweinekopf«, begrüßte Fox ihn.
    »Hey, Arschlöcher.«
    Nach dieser freundschaftlichen Begrüßung schoben sie ihre Fahrräder tiefer in den Wald hinein.
    Als sie die Fahrräder sicher abgestellt hatten, packten sie ihre Vorräte aus.

    »Himmel, Hawkins, was hat deine Mom dir denn alles eingepackt?«
    »Wenn du Hunger bekommst, beschwerst du

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