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Abendstern - Roman

Abendstern - Roman

Titel: Abendstern - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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wir es alle getan haben.«
    »Ja, ja.« Aber Gage rührte sich nicht, als Cal sich bis auf die Unterhose auszog.
    »Wir müssen alle hineingehen und die Götter herausfordern und so.«
    Achselzuckend streifte Gage seine Schuhe ab. »Mach schon weiter. Bist du ein Homo oder was? Willst du mir beim Ausziehen zugucken?«
    »Iiih.« Cal setzte seine Brille ab und legte sie in einen Schuh. Dann holte er tief Luft, insgeheim froh darüber, dass er alles nur noch verschwommen sah, und sprang.
    Das Wasser war kalt, und Cal war kaum aufgetaucht, als Fox ihm auch schon Wasser ins Gesicht spritzte, so dass er praktisch nichts mehr sehen konnte. Gerade, als sich seine kurzsichtigen Augen ein bisschen an die Umgebung gewöhnt hatten, sprang Gage ins Wasser, und wieder war er blind.

    »Mann!«
    Gages Kraulstil wühlte das Wasser auf, deshalb brachte sich Cal erst einmal in Sicherheit. Von den dreien war er der beste Schwimmer. Fox war schnell, aber er hielt nicht lange durch, und Gage, na ja, Gage attackierte das Wasser, als müsse er dagegen kämpfen.
    Cal fürchtete schon, eines Tages die Lebensrettungstechniken anwenden zu müssen, die sein Vater ihm beigebracht hatte, um Gage vor dem Ertrinken zu retten.
    Er stellte sich gerade vor, wie Gage und Fox ihn dankbar und bewundernd anblickten, als eine Hand sich um seinen Knöchel schloss und ihn unter Wasser zog.
    Obwohl er wusste, dass es Fox war, klopfte Cal das Herz bis zum Hals, als das Wasser über ihm zusammenschlug. Panik stieg in ihm auf. Es gelang ihm, sich loszureißen, und als er sich abstieß, um wieder nach oben zu gelangen, sah er links eine Bewegung.
    Es - sie - glitt durch das Wasser auf ihn zu. Ihre Haare hingen um ihr bleiches Gesicht, und ihre Augen waren tiefschwarz. Als sie die Hand ausstreckte, um nach ihm zu greifen, öffnete Cal den Mund zu einem Schrei und schluckte Wasser.
    Gelächter ertönte, als er auftauchte, es hallte blechern wie die Musik aus dem alten Transistorradio, das sein Vater manchmal benutzte. Keuchend schwamm er zum Rand des Teiches.
    »Ich habe sie gesehen, ich habe sie gesehen, im Wasser, ich habe sie gesehen«, stieß er hervor, während er den Abhang hinaufkrabbelte.
    In seiner Fantasie kam sie wie ein Hai auf ihn zu, mit offenem Mund und messerscharfen Zähnen.

    »Raus! Kommt raus aus dem Wasser!« Rutschend und keuchend zog er sich hoch. Er sah seine Freunde, die im Teich Wasser traten. Fast schluchzend beugte er sich über seinen Schuh, um seine Brille aufzusetzen. »Sie ist im Wasser! Ich habe sie gesehen! Kommt raus, schnell!«
    »Oooh, der Geist! Helft mir, helft mir!« Mit gespieltem Gurgeln sank Fox unter Wasser.
    Cal sprang auf und ballte die Fäuste. Wut und Entsetzen mischten sich in seiner Stimme. »Verdammt noch mal, kommt raus!«
    Gages Grinsen erlosch. Er kniff die Augen zusammen und packte Fox am Arm, als dieser lachend wieder auftauchte.
    »Wir gehen raus.«
    »Ach, komm! Er ist doch bloß sauer, weil ich ihn getunkt habe.«
    »Er meint es ernst.«
    Das drang auch bis zu Fox durch, der sich misstrauisch umblickte und gehorsam ans Ufer schwamm.
    Gage folgte ihm so sorglos paddelnd, dass Cal unwillkürlich dachte, er wollte herausfordern, dass etwas passierte.
    Als seine Freunde sich ans Ufer zogen, sank Cal zu Boden. Er zog die Knie an, presste die Stirn darauf und begann zu zittern.
    »Mann.« Fox, der tropfnass in seiner Unterwäsche vor ihm stand, trat von einem Fuß auf den anderen. »Ich ziehe nur ein bisschen an dir, und du rastest aus. Wir haben doch nur gespielt.«
    »Ich habe sie gesehen.«

    Fox hockte sich hin und schob sich die nassen Haare aus der Stirn. »Kumpel, du siehst ohne diese Coke-Flaschenböden gar nichts!«
    »Halt den Mund, O’Dell!« Gage hockte sich ebenfalls hin. »Was hast du gesehen, Cal?«
    » Sie. Ihre Haare schwammen um sie herum, und ihre Augen, oh, Mann, ihre Augen waren so schwarz wie die von dem Hai in Der weiße Hai. Sie hatte ein langes Kleid an, mit langen Ärmeln und so, und sie streckte die Hand aus, als wollte sie nach mir greifen …«
    »Mit ihren knochigen Fingern«, warf Fox spöttisch ein.
    »Sie waren nicht knochig.« Cal hob den Kopf. Wut und Angst standen in seinen Augen. »Das hatte ich auch gedacht, aber sie sah so … so wirklich aus. Gar nicht wie ein Geist oder ein Skelett. Oh, Mann, o Gott, ich habe sie wirklich gesehen, das ist nicht erfunden.«
    »Oh, Mann.« Fox wich etwas vom Teich zurück und fluchte, als er sich den Arm an den Dornenranken aufriss.

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