Abenteuer mit Archimedes, Pythagoras & Co.
Olli schnaufte. »Den Fuß eines Regenbogens gibt es doch gar nicht.«
»Warum denn nicht? Irgendwo muss er doch anfangen.«
»Wo fängt denn ein Kreis an?«, fragte Olli altklug.
Das ließ ich nicht gelten. Wir gingen eine ganze Menge Bögen durch, die wir kannten. Brücken, Flussbiegungen, Torbögen, ja sogar Ollis Flitzbogen: Alle hatten einen Anfang und ein Ende.
Der Regenbogen leuchtete über den Dächern Wollebachs. Noch zwei Ecken und wir würden am Spielplatz sein.
»Verflucht!«, rief Olli. »Der ist weitergewandert!«
Mittlerweile endete er nicht mehr an der Schaukel, sondern irgendwo hinter dem Hügel.
»Was hast du denn erwartet? Der Regen ist fortgezogen, da muss der Bogen eben hinterher. Komm, schnell!«
Wir hasteten den Hügel hinauf, nur um festzustellen, dass der verflixte Regenbogen schon wieder sehr viel weiter entfernt über die Landschaft strahlte.
»Den kriegen wir so nicht!« Olli atmete heftig.
Ich hatte eine Idee.
»Opa, kannst du uns bitte schnell zum Regenbogen fahren? Es ist auch nicht weit.« Ich schnaufte und Olli ließ sich erschöpft auf dem Teppich nieder.
Opa schaute hinter seiner Zeitung hervor und hob eine Braue. »So, ist es nicht?« Er faltete die Zeitung, erhob sich und trat ans Fenster.
»Nein«, bestätigte Olli. »Gleich hinter dem Hügel.«
Opa runzelte die Stirn und blickte hinaus. »Der ist schon ziemlich schwach. Bis wir das Auto gestartet haben, ist davon nichts mehr übrig als ein paar Farbtupfer im Himmel. Was wollt ihr überhaupt da?«
Wir klärten ihn auf. Opa schmunzelte und sagte: »Das Wetter bleibt noch ein paar Tage schlecht, da gibt es morgen sicher wieder einen Regenbogen. Dann können wir unser Glück gerne versuchen.«
Von wegen schlecht! Sonnenstrahlen aus einem wolkenlosen Himmel kitzelten mich wach. Voll düsterer Vorahnung lauschte ich dem Wetterbericht im Radio. Sonnig, zumindest in unserem Tal. Aber für Kinzingen sagten sie am Nachmittag Regen voraus, und das war nur eine Dreiviertelstunde weit weg.
»Gilt dein Versprechen noch?«, fragte ich Opa.
»Welches?«
»Dass du uns zum Regenbogen fährst.«
Opa schaute in den makellos blauen Himmel. »Sicher!«
Ich erzählte ihm, dass es in Kinzingen heute Nachmittag regnen würde. Opa stöhnte.
Nach dem Frühstück schlenderten wir am Ufer der Fränkischen Saale entlang und ließen hin und wieder ein paar Steinchen springen. Ich berichtete Opa von unserem neu gegründeten Ritterorden und von der Prinzessin, die es zu erobern galt.
Opa sagte: »Ich habe dich und Olli gestern beim Ritterspiel beobachtet. Ihr scheint genau auf derselben Wellenlänge zu liegen.«
Wellenlänge – ein seltsames Wort. Ich schaute auf den Fluss. Wo waren die Wellen denn nur lang? Sie breiteten sich als Kreise aus, wenn unsere Steine die Wasseroberfläche durchschlugen, aber wenn ein Schiff vorbeifuhr, dann schob das wirklich lange Wellen gegen die Ufer. Opa ließ mich noch etwas darüber grübeln, bevor er erklärte: »Die Redensart bedeutet, dass ihr euch gut versteht, ihr schwingt gleich.«
»Weiß ich doch. Ich habe über Wellenlängen nachgedacht.«
Opa malte eine Welle in den Sand. »Schau, eine Wellenlänge reicht von einem Kamm zum nächsten. Je nachdem, wie weit oder wie nah diese beisammen liegen, bekommst du entweder längere Wellen oder kürzere.«
»Oder gar Ultrakurzwellen!« Die kannte ich vom Radio und die flogen unsichtbar durch die Luft.
Wir schlenderten weiter und fütterten die Enten mit ein paar Krümeln, die Opa mitgebracht hatte.
Opa hockte sich ins Gras. »Zu Zeiten Karls des Großen zog eine tapfere Schar nicht weit von hier durch die finsteren Wälder Frankens, angeführt von Roland dem Paladin, dem ersten Ritter des Kaisers.«
Bei den Worten
Roland dem Paladin
hüpfte mein Herz vor Freude, denn immer wenn es um diesen Helden ging, folgte ein Rätsel. Diesmal kämpfte Ritter Roland um den Schatz des Saaledrachen, schien aber vom Pech verfolgt und endete in einer gefährlichen Situation. Opa schloss: »Der Drache hielt Ritter Roland in seinen Klauen und fauchte: ‚Um dein kümmerliches Leben zu retten, erfülle diese Aufgabe: Brich diesen Stab, ohne ihn zu zerstören.’ Der Ritter dachte einen Moment nach, dann lächelte er und tat, wie ihm geheißen.« Opa schaute mich an. »Wie hat Roland sein Leben gerettet?«
Knifflig. Ich musste eine ganze Weile überlegen, bevor ich antwortete: »Er hat den Stock so vor einen Spiegel gehalten, dass er zerbrochen aussah.«
»Schlau! Du
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