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Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Titel: Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Autoschlüssel genommen und war in aller Frühe allein losgefahren.
    In weniger als einer Stunde war Marie wieder am Hermsdorfer Kreuz. Auf dem Berliner Ring kam sie in einen Stau. Er kostete sie fast eine Stunde. Dann aber war sie schnell am Kreuz Uckermark und fuhr auf der neuen Ostsee-Autobahn in Richtung Stralsund.
    Zum Glück gab es an der Rügenbrücke keinen Stau. Doch auf der Insel selbst ging es nur noch stockend weiter. Aus Angst vor einem neuen Stau verzichtete Marie auf die Wittower Fähre und fuhr über Jasmund.
    Der Alte hatte ihr eingebläut, dass sie nicht in Richtung Kap Arkona fahren durfte. Sie musste hinter Altenkirchen auf der Hauptstraße bleiben. Kurz vor Dranske entdeckte sie ein winziges Hinweisschild. »Bakenberg.« So hieß die Siedlung.
    Marie bog rechts ab und fuhr lange über schmale Wege durch endlose graugrüne Felder.
    Am Horizont tauchte ein dunkler Waldsaum auf. Dahinter musste die Steilküste sein. Und dort war auch Tom. Im Ferienhaus von Lores Eltern.
    Sie passierte den Eingang eines Feriendorfes, dessen Häuser in einem disneyhaft anmutenden Oldenburger Stil erbaut waren. Danach verzweigte sich die Straße. Ein schmaler Weg ging Richtung Nordosten, das winzige Schild war für Wanderer bestimmt: Kap Arkona.
    Marie hielt sich weiter in Richtung Küste. Über den dunklen Kiefern sah sie schon den grauen Dunst der See aufsteigen. Ihr Herz schlug schneller.
    Jetzt spürte sie es ganz deutlich: Sie näherte sich dem Freund.
    Sie war ihm quer durch das Land gefolgt. Eigentlich war es nicht schwer für Marie gewesen, ihn aufzuspüren. Sie hatte nur ihrem Instinkt folgen müssen. Dem Instinkt einer Mutter, die dem Mörder ihres Kindes auf der Spur war. Dieses Gefühl hatte ihr – über Umwege zwar – den Weg gewiesen. Sie hatte schon damals, als er sich mit ihr im Engscheider Wald getroffen hatte, seine Witterung aufgenommen. Und erst recht später, als sie sich gegenseitig besucht hatten. Dann war sie dieser Witterung gefolgt. Bis an die Nordküste Rügens. Hier oben konnte der Freund nicht mehr weiter. Es gab kein Entrinnen für ihn. Marie hatte ihn in die Enge getrieben. Er konnte sich höchstens noch in die Ostsee stürzen.
    Tom hatte nie eine Chance gehabt, Marie zu entkommen, auch wenn es lange anders ausgesehen hatte. Sie war mit ihm untrennbar verbunden. Über Johann, ihren Sohn, den er ermordet hatte. Und über Lore. Er hätte über Kontinente und Meere fliehen und sich im hintersten Winkel der Welt verstecken können. Marie hätte ihn gefunden.
    Er war nicht mehr weit. Als sie das spürte, wurde auch ihr Herzschlag ruhiger.
    Sie fuhr in gemächlichem Tempo etwa zwei Kilometer parallel zur Küste. Die Gegend schien verlassen zu sein. Doch Marie stellte fest, dass der Waldsaum sich alle zwei- bis dreihundert Meter öffnete. Wege führten tief hinein in die wuchernde Wildnis.
    Marie hielt an und schaute in eine Schneise. Sie entdeckte Holzhütten und rostige Wohnwagen. Die Grundstücke waren durch Seile voneinander abgetrennt. Überall wuchs mannshohes Unkraut, das die kargen Behausungen vor neugierigen Blicken schützte. Die Siedlungen waren auf bunten Holzschildern als »Seeanemone«, »Waldfriede« und »Spökenkieker« angekündigt. Menschen in Badelatschen und gelben Regenmänteln huschten zwischen den Unterkünften hin und her.
    Sie war an der Steilküste von Bakenberg angelangt. Die Kennzeichen der unter den tief hängenden Kiefern geparkten Autos zeigten ihr, woher die Anwohner und Camper kamen: ausschließlich aus dem Osten.
    Als ihr eine junge Frau mit zwei Kindern entgegenkam, kurbelte Marie die Scheibe herunter und fragte nach der Siedlung »Sonnenseite«. Die Frau antwortete ihr in breitem Sächsisch. Es war nicht mehr weit.
    Marie rollte noch ein Stück und parkte den Toyota dann zwischen zwei mächtigen Kiefern. Als sie ausstieg, bemerkte sie, dass der Boden feucht war. Mit ihren halbhohen Straßenschuhen versank sie im Morast. Sie versuchte, auf Zehenspitzen zu einer der Schneisen zu gelangen, die mit Betonplatten und Industriematten ausgelegt waren. Doch ihre Füße waren schon nass.
    Marie durchstreifte die Siedlung.
    Es war wie in einem Indianerdorf. Mitten in dem Waldsaum auf der Steilküste gab es Grillstellen, einen Gemeinschaftsplatz, ein kleines Fußballfeld, alles mit groben, geschälten Holzbalken umzäunt. Ein buntes Schild kündigte Veranstaltungen des Platzwarts an: Tauziehen, Gulasch aus der Kanone, ein Wurstfest.
    Viele der Holzhütten standen auf

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