ABGEFAHREN: Auf dem Rad durch Deutschland - mit wenig Geld und viel Gepäck (German Edition)
eine ziemliche Schleife entlang des Flusses fahren. Doch ich mogle ein bisschen, fahre schnurstracks auf der B 7 nach Arnsberg. So spare ich mir zehn Kilometer. In Arnsberg, nun ja auf einem anderen Weg angekommen, frage ich vorsichtshalber eine Frau nach der Richtung. In dem Moment rauscht ein Mann an mir vorbei, der mit dem Arm zeigt und ruft „hier geht’s lang“ und mit einem Jungen weiterfährt. Ich treffe die beiden, es sind Vater und Sohn, unterwegs bald wieder. Wir fahren ein Stück zusammen, hier ist der Weg direkt am Ruhrufer entlang unter einem grünen Blätterdach besonders schön. In Arnsberg-Neheim lädt mich der Unbekannte ins Café ein. Er verbringt die letzten Ferientage mit seinem Sohn. Ulkig, er macht an diesem Tag seinen ersten Radausflug des Jahres; dagegen neigt sich meine Marathon-Tour dem Ende zu. Der Mann will mich gerne noch ein Stück begleiten, aber sein Sohn streikt. Also Tschüss! Wochen später werden wir uns wiedersehen. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Weiter geht’s, endlich ohne Berg- und Hügelbezwingung. Nur vor Ardey lauern noch mal zwei fiese Steigungen, sonst bleibt die Strecke bis nach Hause schön eben. Meine letzte Übernachtung soll eine besondere sein. Hinter Langschede fahre ich auf den idyllisch gelegenen Campingplatz „Ruhrtalblick“, was nicht zu viel versprochen ist. Für drei Euro kann ich auf dem Gelände, beschützt sozusagen, auf einer Wiese im Freien übernachten und auch noch Dusche und Toilette benutzen. Perfekt.
Nach dem Abladen zieht’s mich an die Ruhr, in der seit einer Woche Kolibakterien schwimmen. Risiko, ich springe trotzdem ins Wasser, das arschkalt ist. Die Strömung ist schon in Ufernähe erstaunlich heftig. Ich passe schön auf – und werde beobachtet. Eine Clique Jungs lagert hier am Steg, zugedröhnt, mit was auch immer, bis in die Haarspitzen. Eigentlich wollten sie einen Ausflug machen, aber seit Tagen kommen sie nicht von der Stelle. Prost, wir trinken ein Bier zusammen. Dann verziehe ich mich auf meine Isomatte im Gras.
Am nächsten Morgen wecken mich Regentropfen. Schnell bringe ich alle Sachen zum überdachten Gebäude, in dem eine Gaststätte und die Sanitäranlagen untergebracht sind. Und dann trete ich am 51. Tour-Tag die letzte Etappe an. Meine Beine wirbeln nur so. In Hagen an einer Baustelle ist der Weg schlecht ausgeschildert, ab Wetter ist Mistwetter, das sich erst wieder ab Hattingen beruhigt. Hinter Witten muss ich mit einer Fähre über den Fluss setzen. Das ist kostenlos, möglich gemacht von der WABA, der Wittener Arbeits- und Beschäftigungsagentur. Jetzt gerade könnte ich umfallen vor Müdigkeit, aber ich muss weiter, weiter, nach Hause.
Als es wieder aufklart, mache ich noch in einem schönen Lokal am Fluss, ich weiß nicht mehr wo das war, Kaffeepause. Und genieße den Ruhrtal-Radweg, den ich nur empfehlen kann. Besonders das Stück auf Essener und Mülheimer Gebiet liebe ich. In Kettwig angekommen, führt kein Weg an der „Alten Fähre“ vorbei. Ich bestelle mein Lieblingsgericht: gebratene Blutwurst mit Kartoffelpüree, unter das Endiviensalat gemischt ist. Einfach himmlisch. Dazu zische ich ein Radler, und bevor ich ein zweites, kleines, bestelle, rechne ich schnell die Zeche durch. Es reicht, gerade so. Am Ende sind noch zwei Euro und ein paar Cent in meiner Geldbörse.
Ein wenig beschwipst vom Radler strample ich die letzten Kilometer zum Wasserbahnhof nach Mülheim, die ich im Schlaf fahren könnte. Dann noch fünf Kilometer durch die Stadt, und ich halte nach über sieben Wochen wieder bei meiner Nachbarin. Sie hat meinen Schlüssel, ist aber nicht zuhause. Damit musste ich rechnen, weil ich mich nicht angekündigt hatte. Also rufe ich sie an, und ihre Mieterin lässt mich rein, um meine Schlüssel zu holen. Dann hält mich nichts mehr – ich schwebe geradezu die paar Meter bis zu meiner Wohnung. Mit 118 Kilometern habe ich am letzten Tourtag die längste Etappe bewältigt.
Wieder zuhause. Ich bin froh, dass ich mich darauf freue. Hier ist reichlich Platz für die Erinnerungen an die Tour meines Lebens.
Nachwort
In meiner Spur
Reich beschenkt mit Begegnungen mit spannenden, wunderbaren Menschen, mit Überraschungen, gemeisterten Anstrengungen, atemberaubend schönen Landschaften bin ich am 2. August 2007 vom Rad gestiegen – knusperbraun, durchtrainiert, um rund sechs Kilogramm Körpergewicht leichter. Ich fuhr in sieben Wochen und zwei Tagen genau 2716 Kilometer. Darauf bin ich mächtig
Weitere Kostenlose Bücher