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Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Titel: Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federico Baccomo
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mit.
    Alles.

Prolog
    Ich bin vermutlich zu spät und weiß nicht, wo ich mich befinde. Nach rechts öffnet sich die Straße auf einen großen, runden Platz, der einen kleinen eingezäunten Park umschließt. Links knickt die Straße in eine lange Allee ab. Meinen Berechnungen nach dürften weder Platz noch Allee dort sein, wo sie sind.
    Ich kratze mich an der Schläfe und schaue hoch.
    Der Himmel ist schwer von Regen, und doch muss ich meine Augen gegen die Sonne schützen, die durch die blauen Löcher in der Wolkendecke fällt. Ein kalter Wind fegt über die Straße und wirbelt Staub, Papierfetzen und Plastikbecher auf. Ich friere in meinem T-Shirt. Menschen strömen an mir vorbei, rempeln mich an, nehmen mich kaum wahr. Ich kneife die Augen zusammen, um das Straßenschild auf der anderen Straßenseite lesen zu können, und trete in eine Pfütze. Verdammter Mist , denke ich, haben wir nicht Sommer? Ich hebe den Fuß und lasse den Schuh abtropfen. In Dubai waren achtunddreißig Grad. Achtunddreißig. Und das vor zwei Monaten.
    Dubai.
    Blitze zerreißen den Himmel, und Bilder schießen mir durch den Kopf: das Dionysus’ Ivy Hotel mit dem fürstlichen Zimmer, die betretene Miene, mit der ich Krawatten und Anzüge in den Koffer auf dem Bett legte, das Taxi, das mich zum Flughafen brachte, während irgendjemand die in der Ferne entschwindende Stadt fotografierte, die Lounge, wo mich ein arabischer Junge fragte, ob Giuseppe ein Mitglied der italienischen Band Pooh sei, der Rückflug, auf dem ich nicht schlafen konnte, die Landung, das Wir sehen uns morgen im Büro , die Gedanken, die mir im Kopf herumschwirrten, als ich meine Wohnung betrat und mich fragte: Und jetzt?
    Ich überquere die Straße und bleibe vor einem Wegweiser stehen. Mir wird klar, dass ich vom Kurs abgekommen bin. Ich schaue auf die Uhr. Die Zeit wird langsam knapp. Ich kehre um, biege in ein schmales Sträßchen ein, das in Kurven aufsteigt, und orientiere mich an einem hohen Gebäude zu meiner Linken, das wie eine Schlangengurke aussieht. Ein Tropfen landet auf meiner Wange. Ich gehe schneller. Eine Sirene rast vorbei und erinnert mich an einen Beatles-Song, den ich nicht leiden kann.
    Und jetzt?
    Am Tag nach der Rückkehr aus Dubai bin ich Punkt neun in der Kanzlei erschienen. Ich bin zu Giuseppe gegangen, der schon an seinem Schreibtisch saß und eine augenscheinlich ziemlich schwere Armbanduhr in den Händen herumdrehte.
    »Schön, was?«, sagte er und hielt sie mir hin, um sie im selben Moment, da ich danach greifen wollte, wieder wegzuziehen. »Letztlich habe ich dann doch auf Donato – Friede seiner Seele – gehört und sie gekauft. Mit Geschäften ist es wie mit schönen Frauen: Eine solche Gelegenheit nicht beim Schopfe zu packen, ist eine Schande. Die hier wird auch in zwei Millionen Jahren noch keine Sekunde nachgehen.«
    »Zwei Millionen ist eine Menge«, sagte ich. »Arturo wird nur sechstausend Jahre alt.«
    Ich sah aus dem Fenster auf die Pflanzen, die sich am Gebäude gegenüber hochrankten.
    »Ich werde die Kanzlei verlassen«, verkündete ich.
    »Okay«, sagte Giuseppe und inspizierte das Uhrarmband. »Sei aber heute Nachmittag wieder hier, damit wir über das neue Projekt sprechen können.« Er schaute auf und fügte hinzu: » Wir sind auch eine Uhr, die nicht nachgeht.«
    »Nein, Giuseppe«, erklärte ich geduldig. »Du hast mich nicht verstanden. Ich werde die Kanzlei verlassen. Für immer.«
    Giuseppe legte die Uhr hin, stand auf, schloss die Tür, setzte sich wieder und schaute mich eindringlich an.
    »Lass hören«, sagte er. »Welche Kanzlei?«
    »Welche Kanzlei?«
    »Treib keine Spielchen mit mir, Endru. Die Kanzlei, zu der du zu gehen beabsichtigst.«
    »Es gibt keine Kanzlei, Giuseppe. Ich möchte endlich zur Ruhe kommen und nachdenken. Zur Ruhe kommen und …« Dann gingen mir die Worte aus.
    Giuseppe starrte mich immer noch misstrauisch an.
    »Wirklich«, sagte ich und legte die Hand an die Brust. »Ich habe keine Pläne für die, äh, wie soll ich sagen … Zukunft.«
    »Keine Pläne für die Zukunft«, sagte er geistesabwesend.
    »Vielleicht würde ich lieber sagen können, dass ich viele Pläne für die Zukunft habe, aber das ändert nicht grundsätzlich etwas an der Sache.«
    »Jetzt schau mal, lieber Endru.« Er verlegte sich auf einen lockeren Tonfall. »Das Leben ist ein Schmelztiegel an Gefühlen, inputs , Klängen, Farben, Bildern, man kommt von da und geht nach dort … Wenn du wüsstest, was ich alles

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