Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
er wurde rausgeschmissen, das Dreifürzwei-Project wurde ihm aus der Hand genommen. Vielleicht ist es nicht wirklich so gesagt worden, vielleicht bleibt er formal verantwortlich, aber die verstörte Miene, mit der er hereingekommen war und seine Ansprache gehalten hatte, trug die Spuren der Unterredung mit Rashid so unübersehbar, wie an einem Tatort die Kreideumrisse der Leichen zurückbleiben.
Donato teilt uns die offizielle Entscheidung mit: ein Ultimatum. Zweiundsiebzig Stunden, um den Vertrag abzuschließen. Im gegenteiligen Fall ist das Geschäft geplatzt. Und wir fliegen.
» It’s allucinating «, sagt er am Ende, aber es ist offensichtlich, dass nicht einmal er selbst daran glaubt.
Nachdem Donato uns über die neuesten Beschlüsse aus höheren Sphären in Kenntnis gesetzt hat, schickt Giuseppe Tiziano fort und behält mich und Cardellini da, weil sich seinem Verständnis nach die Schuld für einen Fehler nicht auf halber Höhe der Hierarchie verorten lässt, sondern stets weiter unten, bis man zur niedrigsten Stufe gelangt.
»Von wegen«, beginnt er.
Cardellini hat den Blick gesenkt, betastet das Pflaster und gefällt sich in immer neuen Leidensmienen. Ich lehne an einem Tischchen und schaue auf eine Zeitschrift, die zwischen einer Flasche Bombay-Gin und zwei halben Pampelmusen liegen geblieben ist. Riesige Schwimmbäder, endlose Rutschen, künstliche Wellen, Frauen mit Körpern wie Hügellandschaften. Ein großer roter Kreis ist um den Namen der Freizeitattraktion gezogen.
»Von wegen, das Geschäft platzt«, sagt Giuseppe, der mit hinter dem Rücken verschränkten Händen vor uns steht. »Der Mandant ist neu und wichtig. Wir dürfen ihn nicht verlieren. Ich habe euch alle Freiheiten gelassen und mich selbst im Hintergrund gehalten, und so wollt ihr mir das nun vergelten? Ist es das, was ihr Freiheit nennt? Schöne Profis, wirklich.« Giuseppe löst die Hände und klatscht überschwänglich Beifall. »Verdammt, wenn ihr immer noch nicht begriffen habt, mit wem wir es zu tun haben und auf welchem Level wir arbeiten, schaut euch doch um. Wir sprechen hier von einem internationalen Giganten. Sie verlangen, dass wir in zweiundsiebzig Stunden fertig sind? Wir schaffen es in achtundvierzig.«
»Giuseppe«, wende ich ein. »Die bluffen nur. Du weißt doch, wie die Mandanten sind. Ich glaube nicht, dass …«
»Du wirst schon sehen, Endru«, unterbricht er mich. »Du wirst schon sehen, wie ich bluffen werde, wenn es um ganz andere Verhandlungen geht: Aufstiegsperspektiven, Gehaltserhöhung, Partnerschaft. Du wirst schon sehen.«
Ich wende mich wieder dem Badeparadies zu und meine zu verstehen, dass es sich um das größte der Welt handelt.
»Wir werden es folgendermaßen machen«, sagt Giuseppe im Befehlston. »Wir werden in die Sitzung gehen und sie nicht eher wieder verlassen, bis wir fertig sind. Fer-tig. Kein Mittagessen, kein Abendessen, kein Ausgang und keine Fisematentchen mehr. Nichts mehr, rein gar nichts mehr. Do you understand? «
»Ja«, sagen wir einstimmig.
»Und das da, Endru, das kannst du dir aus dem Kopf schlagen.«
»Was?«
»Das Badeparadies. Ich werde wohl hingehen, weil ich schon Eintrittskarten habe. Aber das wird die letzte Ausnahme von der Regel sein.«
46
Es ist acht Uhr morgens, und die letzte Sitzung beginnt.
Der große Abwesende: Donato, der nach Mailand zurückgekehrt ist, um an der Kommunion seines Sohnes teilzunehmen.
»Es gibt Gelegenheiten, da darf ein Vater nicht fehlen«, hatte er gesagt, als er uns im Foyer die Hand gedrückt hatte. »Armer Kerl, mein Giulio. Wo sein Vater immer so weit weg ist, wächst er praktisch ohne Bezugsperson auf. Die Folgen sind ja bekannt: Drogen, Big Brother, Homosexualität, wilde Ehe, Gewerkschaften.«
Ich hatte ihm die Hand gedrückt und an die Kommunion des armen Giulio gedacht. Donato spricht von seinem Sohn mit demselben Bedauern, mit dem man eine Folge seiner Lieblingsserie verpasst, die man aber Gott sei Dank auf Video aufzeichnen kann. Für den armen Giulio ist immer noch Zeit. Auch jetzt sieht die Wahrheit anders aus: Donato ahnt, dass die Sache scheitern wird, und da er seine Ladung an arabischer Wut schon abbekommen hat, will er nichts mehr damit zu tun haben. Rashid hat ihn vom Thron gestoßen? Soll Rashid doch die letzte Schlacht schlagen. Soll Rashid doch stürzen.
»Freunde«, hatte er gesagt und mit einem Ausdruck seiner Flugtickets herumgewedelt. »Nichts wie hin und dann schnell wieder die Flucht ergreifen. Der
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