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Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Titel: Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federico Baccomo
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Gefühlsleben, seinen Leidenschaften, seinen Träumen, nichts, aber auch gar nichts. Jetzt sitzt er da und verblutet, ich höre ihn fluchen und frage aus heiterem Himmel: »Sag mal, hast du eigentlich eine Freundin?«
    »Hä?«, antwortet er, als würde er aus einem Trancezustand erwachen.
    »Eine Freundin? Gibt es da jemanden? Eine Frau, mit der du ausgehst?«
    »Wenn du dich zum Affen machen willst, ist das wohl kaum der geeignete Moment. Sag mir lieber, wie ich das Blut stillen soll.«
    »Eis. Man bräuchte Eis«, schlage ich vor. »Im Kühlschrank neben der Kaffeemaschine müsste welches sein.«
    »Eis, super Idee.«
    »Ich hol dir welches. Du hältst dir derweil die Nase zu.«
    Als ich aus dem Zimmer gehen will, höre ich, wie er mit schwacher Stimme meinen Namen sagt. Ich bleibe auf der Schwelle stehen und drehe mich um.
    »Nein, übrigens. Ich habe keine.«
    Lieber Büronachbar.
    Langsam werden wir Freunde.

4
    Jemand fragt mich: »Und was machst du so beruflich?«
    Ich sage: »Wirtschaftsanwalt.«
    Und dann beobachte ich aufmerksam die Reaktion.
    Einige der Fragenden verziehen missbilligend den Mund, weil sie meine Antwort für arrogant halten. Die Mehrheit hingegen reißt unmerklich die Augen auf, beugt sich zu mir vor und starrt auf diesen Menschen, der doch so normal aussieht und stattdessen – hat er das wirklich gesagt? – Wirtschaftsanwalt ist. Sie schütteln mir kräftig die Hand, entfernen sich rückwärts, schauen mich weiterhin an, recken den Daumen nach oben, führen die Hand ans Ohr. ( Ich ruf dich an. ) Ganz offenbar würden sie ihren Freunden sofort von dieser unglaublichen Begegnung erzählen, bei der sie selbst einer der Hauptdarsteller waren – Ihr werdet es nicht glauben, ein Wirtschaftsanwalt . Ich werde ein bisschen größer, ein bisschen intelligenter, ein bisschen reicher, in jedem Fall aber ein enger Freund.
    Was mich betrifft, sieht die Sache anders aus. Ich möchte weder abschrecken noch beeindrucken. Jahrelange Erfahrungen haben aber schlicht ergeben, dass Wirtschaftsanwalt die einzige Formel ist, die mich vor beruflichen Fragen schützt. Ich habe es mit Anwalt versucht, aber stets geriet die Unterhaltung in Richtungen, die mich mit verblüffender Zuverlässigkeit ins Nichts führten.
    »Mein Onkel hat eine Garage, die er seit zehn Jahren nicht mehr benutzt, und nun befürchtet er, dass…«
    »Halt, tut mir leid, aber ich habe keine Ahnung von Wohnungseigentumsrecht.«
    »Ach so. Okay, aber meine Schwester hat von meiner Oma das Haus in Rogoredo bekommen, während ich …«
    »Entschuldigung, ich muss dich schon wieder unterbrechen, aber ich bin nicht sehr bewandert im Erbrecht.«
    »Mhm. Meine Exfrau …«
    »Im Eherecht auch nicht.«
    »Ich hatte einen Unfall …«
    »Im Unfallrecht eher auch nicht.«
    »Ich habe einen Kredit.«
    »Mahnungs- und Vollstreckungsrecht ist auch nicht mein Ding.«
    »Bußgeld?«
    »Ich bin zutiefst beschämt.«
    »…«
    »…«
    »Tja, tut mir leid, dass ich das sagen muss, aber du bist ja offensichtlich zu nichts zu gebrauchen.«
    Schließlich hat man mich kopfschüttelnd stehen gelassen.
    Ich neige dazu, mich in solchen Situationen schlecht zu fühlen.
    Wirtschaftsanwalt erspart mir Gespräche wie dieses. Es ist eine leere, aber wohlklingende Formel, die es mir erlaubt, mich erhobenen Hauptes aus der Affäre zu ziehen. Meine Gesprächspartner dagegen sehen sich zu einer Gewissensprüfung genötigt und müssen erkennen, dass ihre Problemchen nichts mit der Bedeutsamkeit der meinen – derjenigen der Wirtschaft – zu tun haben. So kommt es, dass sie sich mickrig fühlen und am liebsten das Weite suchen würden. Stattdessen reden sie übers Wetter.
    Denn unglücklicherweise bin ich tatsächlich zu nichts zu gebrauchen.
    Es fällt mir nicht schwer, das zuzugeben. Mit falscher Bescheidenheit oder Selbstmitleid hat das nichts zu tun, es ist einfach eine ehrliche Einsicht.
    Meine Arbeit ist bei all ihrer unvorstellbaren Komplexität denkbar einfach.
    Alles beginnt damit, dass eine große Firma an die Tür unserer Kanzlei klopft, üblicherweise in Form eines arroganten, wenig ansehnlichen Mannes. Der Mann sagt: »Ich muss kaufen/verkaufen/machen, weil ich die Absicht habe, eine Menge Geld zu verdienen, und dazu ist es nötig, dass du, Anwalt « – zwischen den Zähnen hervorgepresst, damit gleichermaßen Desinteresse und Verachtung mitschwingen – »mir dabei hilfst. Mir fehlt nämlich nicht nur die Kompetenz, sondern auch die Lust, mich

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