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Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Titel: Abgeschnitten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek , Michael Tsokos
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nach unten und damit über das poröse Narbengeflecht der Stirn gelaufen, das man zum Glück nur sah, wenn ihr dichter Pony ungünstig fiel.
    Mist.
    Widerwillig hielt sie das Gesicht unter den heißen Strahl der Dusche, was fast noch schlimmer war, als wenn sie die Spuren der Verätzungen mit den eigenen Fingern nachgezeichnet hätte.
    Linda hatte viele Narben. Die meisten von ihnen waren größer als die auf der Stirn und schlechter verheilt, denn sie lagen an Stellen, an die keine Wundsalbe und kein Chirurg jemals herankommen würden: tief unten, verborgen im Seelengewebe ihrer Psyche.
    Nachdem sie sich etwa zehn Minuten lang mit dem Duschstrahl den Nacken massiert hatte, spürte sie, dass die Verspannung sich zu lösen begann. Womöglich würde eine Ibuprofen den schlimmsten Kopfschmerz verhindern, wenn sie die Tablette rechtzeitig vor dem Einschlafen nahm. Vorgestern hatte sie es vergessen und war mitten in der Nacht mit einem Presslufthammer unter der Schädeldecke aufgewacht.
    Sie drehte den Wasserhahn wieder zu, wartete, bis der verkalkte Duschkopf aufgehört hatte zu tropfen, und zog den Duschvorhang zur Seite. Dann erstarrte sie.
    Im ersten Moment war es nur ein unbestimmtes Gefühl, das sie innehalten ließ. Noch begriff sie nicht, was sich in dem Badezimmer verändert hatte. Die Tür war geschlossen, die Bluse hing vor dem Spiegel, das Handtuch über der Heizung. Und doch, etwas war anders.
    Vor einem Jahr noch hätte sie nichts gefühlt, aber nach all dem, was ihr seither widerfahren war, hatte sie so etwas wie einen sechsten Sinn für unsichtbare Bedrohungen entwickelt. Nicht nur die Videokassetten auf ihrem Nachttisch in ihrer Wohnung in Berlin hatten sie sensibilisiert. Bänder, auf denen sie selbst zu sehen war. Gefilmt von jemandem, der neben ihrem Bett gestanden haben musste. Während sie schlief!
    Linda hielt den Atem an, horchte nach verdächtigen Geräuschen, doch alles, was sie wahrnahm, waren die Sturmböen, die am Haus nagten.
    Falscher Alarm,
dachte sie und atmete gleichmäßig, um ihren Puls wieder zu entschleunigen. Dann stieg sie fröstelnd aus der Dusche und griff nach dem Handtuch.
    Und in dieser Sekunde traf sie die Erkenntnis wie ein elektrischer Schlag.
    Sie schrie auf, begann am ganzen Körper zu zittern und drehte sich ruckartig um, als erwarte sie, jeden Moment von hinten angesprungen zu werden. Doch das Einzige, was ihr im Nacken saß, war die eigene Angst, und die ließ sich nicht so einfach abschütteln wie das Handtuch, das sie von sich geschleudert hatte.
    Das Handtuch …,
dessen Berührung ein Gefühl vollkommenen Ekels ausgelöst hatte.
    Denn es war nass.
    Jemand musste sich damit abgetrocknet haben, während sie unter der Dusche gestanden hatte.

2. Kapitel
     
    N ein, ich habe es nicht angefasst, verdammt. Ich weiß noch genau, wie ich es heute Morgen über die Heizung gelegt habe.«
    Linda fühlte, wie ihr das Blut zu Kopf stieg, und darüber ärgerte sie sich fast noch mehr als über die Beschwichtigungsversuche ihres Bruders am anderen Ende der Leitung. Auch wenn Clemens sie nicht sehen konnte, kannte er sie doch so gut, dass er allein an ihrem Tonfall merkte, wie sie rot anlief – wie immer, wenn sie aufgeregt war.
    »Beruhig dich, Kleines«, sagte er, wobei er wie eine der Figuren aus den Filmen über die New Yorker Unterwelt klang, die er so sehr liebte. »Ich hab das geregelt. Es gibt nichts mehr, wovor du Angst haben müsstest.«
    »Hah!« Sie atmete stoßweise. »Und wie erklärst du dir dann das nasse Handtuch? Mann, das ist doch exakt Dannys Handschrift.«
    Danny. Scheiße, wieso nenne ich den Dreckskerl eigentlich immer noch bei seinem Kosenamen?
    Mittlerweile wurde ihr allein bei dem Gedanken schlecht, dass sie mit diesem Widerling ins Bett gestiegen war, und das sogar mehrfach. Dabei konnte sie nicht behaupten, dass sie nicht gewarnt worden wäre.
»So gut, wie er aussieht, so schlecht wird es enden«,
hatte ihre Mutter geunkt. Und auch ihr Vater sollte mit seiner Bemerkung
»Ich hab das Gefühl, er hat uns noch nicht sein wahres Ich gezeigt«
den Nagel auf den Kopf treffen; so wie eigentlich immer, wenn es darum ging, andere Menschen einzuschätzen. So weltfremd ihre Eltern manchmal waren, deren gutbürgerliches Leben sich größtenteils zwischen Klassenarbeiten und Lehrerkonferenzen abspielte, so sehr hatten dreißig Jahre Unterricht vor Gymnasiasten ihre Menschenkenntnis geschult. Allerdings bedurfte es auch keiner hellseherischen Kräfte, um

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