Abgründig (German Edition)
auf eine seltsame Art berührte. »Ich nicht, ich bin auch erst sechzehn und gehe noch zur Schule.«
Es dauerte einige Sekunden, bis Tim verstand und den Kopf schüttelte. »Nein, ich … ach, verdammt …« Sie mussten beide lachen. »Ich meinte natürlich, wo du wohnst.«
»Gar nicht so weit von dir weg. In Trippstadt.«
»Trippstadt?« Den Namen hatte Tim noch nie gehört. »Gibt es da etwas in der Nähe, das man kennt?«
»Ja, das liegt direkt bei Kaiserslautern. Ich denke, das kennst du, oder?« Tim fiel auf, wie unglaublich ebenmäßig und weiß ihre Zähne waren. Und dass sich an ihren Mundwinkeln kleine Grübchen bildeten, wenn sie lachte.
»Hallo, hallo«, lenkte eine unverkennbare Stimme ihn von seinen Betrachtungen ab. »Hier kommt der Getränkedienst.«
Nur ungern wandte Tim seinen Blick von Lena ab und sah zu Ralf, der mit Sebastian und Janik vor ihrer Hütte aufgetaucht war. Alle drei trugen Tüten auf den Armen, die offenbar zu schwer waren, um sie an den Griffen zu halten. Ralf deutete mit dem Kopf zum Eingang. »Komm mal rüber, wir müssen was mit dir besprechen.«
Tim wäre lieber noch etwas bei Lena geblieben, doch sie stand auf und sagte: »Ich muss jetzt sowieso mal rein zu den anderen, sonst denken die noch, ich hätte was gegen sie.«
Auch Tim erhob sich und klopfte sich den Hintern ab. »Sehen wir uns heute Abend?«
Lena hob die Schultern. »Ich weiß noch nicht, aber ich denke schon.« Sie wandte sich ab, doch als Tim sich nicht vom Fleck rührte, zögerte sie und sah ihn fragend an.
Er schüttelte lächelnd den Kopf. »Versuchen wir das doch noch einmal: Sehen wir uns heute Abend?«
Wieder schenkte sie ihm ihr bezauberndes Strahlen. »Ja, gut, wir sehen uns.« Sekunden später war sie in der Hütte verschwunden.
Tim überquerte den Schotterweg und fühlte sich dabei so beschwingt, dass er am liebsten ein Lied gepfiffen hätte.
Das Camp gefiel ihm, und der Gedanke, dass nun eineinhalb Wochen vor ihm lagen, in denen er Lena täglich sehen würde, erzeugte ein wohlig warmes Gefühl in seinem Bauch.
Als er seine Hütte betrat, saß Denis mit verschränkten Armen auf einem Stuhl und hatte die Beine weit von sich gestreckt. Ralf redete auf ihn ein, während die anderen die Cola- und Orangensaftflaschen sowie einige Tüten und Dosen mit Salzstangen, Flips und Erdnüssen in dem freien Schrank verstauten.
»Na, konntest du dich von Lena losreißen?«, fragte Sebastian mit einem anzüglichen Lächeln, als er Tim entdeckte. Tim ging gar nicht erst darauf ein, dafür war seine Laune gerade viel zu gut.
Er glaubte, etwas wie Erleichterung auf Ralfs Gesicht zu erkennen, als der jetzt zu ihm herübersah. »Da bist du ja. Der liebe Denis stellt sich mal wieder quer.«
»Was ist denn los?«, fragte Tim und ging zu seinem Bett. Mit Schwung zog er sich hoch und setzte sich auf die Bettkante. Ralf zog einen Stuhl herbei und setzte sich ebenfalls. »Du hast doch gehört, wie der Plan für die nächsten Tage hier aussieht. Lustige Waldspaziergänge und ein bisschen an den Kinderkletterwänden herumspielen.«
Tim zuckte mit den Schultern. »Ja, und?«
»Was, und? Findest du das etwa gut?«
Tim dachte daran, dass es für ihn als Anfänger sicher ganz gut war, zuerst an den Kletterwänden zu üben, bevor er sich an einen Berg heranwagte. Er dachte auch an Lena und dass es ihm sowieso ganz egal war, wie das Programm der nächsten Tage aussah, solange er mit ihr zusammen sein konnte. So ein langer Waldspaziergang mit ihr gemeinsam …
»Klar, warum nicht?«
Ralf schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Der Knall ließ Fabian, der sich gerade an seinem Schrank zu schaffen machte, aufschrecken.
»Mann, weil das Kinderkram ist. Ich bin hier, um in den Berg zu gehen, und nicht, um an kleinen Kunsthügelchen herumzuturnen.«
»Ich verstehe nicht ganz, was du eigentlich willst«, gab Tim zu.
»Das kann ich dir sagen. Wir haben eben beim Einkaufen darüber gesprochen, und Sebastian und Janik sind der gleichen Meinung wie ich. Wenn die hier Kindergeburtstag spielen wollen, bitte schön. Dann ziehen wir eben auf eigene Faust los. Was denkst du?«
Tim versuchte, in Denis’ ausdruckslosem Gesicht eine Regung zu erkennen, was sich jedoch als aussichtslos herausstellte.
»Wie, auf eigene Faust?«
»Mein Gott, was ist denn daran so schwer zu verstehen? Ich kenne die Gegend hier wie meine Westentasche. Es gibt keinen Weg an der Zugspitze, den ich nicht schon hundert Mal gegangen bin. Wir klinken
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