Abgründig (German Edition)
ausgefallen.
Heute begann in der Höllentalangerhütte die Saison. Und schon ein gutes Stück, bevor sie sie erreicht hatten, begegneten ihnen Bergwanderer, die sofort herbeieilten und ihnen halfen, Fabian und die beiden Verletzten zu einer Stelle zu bringen, die die Bergwacht mit ihren Fahrzeugen erreichen konnte. Die Männer hatten Mobiltelefone dabei und benachrichtigten die Rettungskräfte.
Sebastian achtete darauf, dass er während der ganzen Zeit immer möglichst viel Abstand zu Tim hielt.
Während sie auf die Rettungskräfte warteten, erzählten sie den Wanderern auf deren Nachfrage hin in groben Zügen, was passiert war. Über das Messer, die Verdächtigungen gegen Tim und die Vorfälle auf der Hütte schwiegen sie.
»Mensch, und da sagt man immer, auf die Jugend von heute ist kein Verlass mehr«, bemerkte ein etwa fünfzigjähriger, dicker Kerl in einer dreiviertellangen Wanderhose. »Wenn ich sehe, wie ihr füreinander eingestanden seid und füreinander da wart … Da kann sich manch einer eine Scheibe abschneiden. Respekt.« Damit klopfte er Sebastian auf die Schulter.
33
Tim starrte noch immer auf die hässliche Lampe des Rettungswagens, bemüht, möglichst flach zu atmen. Wo nur war Lena? Und wann fuhr der Wagen los?
Die Türen wurden aufgeklappt und er hob den Kopf.
Am Ende des Rettungswagens stand Lena und neben ihr Sebastian. Gott sei Dank, dachte Tim. Es ging ihr gut. Alles, alles war gut.
»Da möchte dir jemand was sagen«, meinte Lena, drehte sich um und verschwand.
Sebastian stand da und sah ihn an. Sein Gesicht spiegelte alles wider, was er wahrscheinlich sagen wollte. Und als er auch nach einer ganzen Weile noch keinen Ton herausgebracht hatte, meinte Tim: »Schon gut, ich weiß Bescheid.«
Sebastian nickte langsam, regte sich aber noch immer nicht.
»Ach, und sag den anderen auch Bescheid«, sagte Tim. »Was da oben passiert ist, bleibt unter uns.«
Wieder nickte Sebastian. Dann drehte er sich um und ging.
Sekunden später war Lena wieder da und kletterte lächelnd zu ihm in den Wagen.
EPILOG
Es war wahrscheinlich ein besonderer Scherz des Schicksals, dass ausgerechnet Ralf zusammen mit Tim in einem Krankenhauszimmer lag.
Als Ralf nach der Operation am Bein wieder hineingerollt wurde und Tim angrinste, musterte der ihn lange, bevor er sagte: »Du bist doch wirklich zu dämlich. Sich sogar beim Pinkeln zu verlaufen, schafft wohl nur der große Bergführer Ralf.«
Ralf hob nur grinsend die Schulter.
»Wo hast du eigentlich den ganzen Tag und die ganze Nacht gesteckt, die du allein da oben unterwegs warst?«, wollte Tim wissen.
»Ach, ich war halt tierisch besoffen, als ich raus bin. Ich erinnere mich noch, dass ich neben die Hütte gepinkelt habe, und dann ging in meinem Kopf alles drunter und drüber. Ich dachte, dass ich an allem schuld bin und mich deshalb aufmachen sollte, um Hilfe zu holen.«
»In der Nacht? Bei dem Sturm?«
»Es dämmerte schon leicht und, wie gesagt, ich war noch ziemlich blau. Na ja, ich habe selber schnell gemerkt, dass das eine Schnapsidee war, aber da konnte ich nicht mehr zurück, weil ich mich total verfranst hatte. Ich weiß nicht, wie lange ich da rumgeirrt bin, aber plötzlich stand ich vor der Hütte, zu der ich eigentlich mit euch wollte. Dort habe ich den Tag verbracht und die nächste Nacht, und als der Sturm plötzlich aufhörte, bin ich gleich losgezogen. Von dort aus kannte ich ja den Weg. Tja, auf den Schrofen bin ich dann leider gestolpert.«
Tim schüttelte schmunzelnd den Kopf. »Verrückt, das alles.«
»Schon was von Fabian gehört?«, fragte Ralf.
»Ja, er hat ’ne tierische Erkältung, aber es ist Gott sei Dank keine Lungenentzündung. Der Schlauberger wird bald wieder fit sein. Ach, Jo vom Camp war übrigens eben hier.«
»Ah, und?«
»Er ist stinksauer. Als wir heute Morgen noch immer nicht zurück waren aus Garmisch-Partenkirchen , hat er unsere Eltern alarmiert. Und er hat uns rausgeworfen. Und uns Hausverbot erteilt. Auf Lebenszeit.«
»Okay.« Ralf nickte. »Ja, das habe ich erwartet.«
Beide lachten. »Eins verstehe ich noch nicht«, sagte Tim mit schmerzender Brust, nachdem sie sich wieder beruhigt hatten. »Ich hatte Blut im Gesicht und an der Hand, offensichtlich von dir. Wie ist das dahin gekommen?«
Ralf dachte eine Weile nach, dann hob er die Schultern. »Keine Ahnung. Ich hab mich mit deinem Messer geschnitten, als ich versucht habe, diese vermaledeite Erdnussdose zu öffnen. Dieser dämliche Ring, mit
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