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Abgrund der Lust

Abgrund der Lust

Titel: Abgrund der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Schone
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Nur ihre Geschlechter würden sich berühren.
    Die Frau in Victoria schrie nach Flucht.
    Die praktische Seite in ihr warnte, dass sie nirgendwohin laufen konnte. Ein sprühender Funke im Kamin unterstrich ihren Entschluss.
    Was in dieser Nacht auch geschehen mochte, mit diesem Mann, es war ihre Entscheidung. Sie würde nicht davor zurückschrecken.
    Unbeholfen öffnete sie mit entschlossenem Mund die Holzknöpfe ihres wollenen Umhangs. Als ihr linker Arm frei war, nahm sie die Tasche in die Linke und streifte den Umhang vonder rechten Schulter. Sorgfältig drapierte sie den mottenzerfressenen Wollstoff über ihren linken Unterarm, als sei er wertvoll.
    Er war es nicht. In den letzten sechs Monaten hatte sie alles verkauft, was sie besaß. Und es war immer noch nicht genug.
    Der Mann mit den silbernen Augen warf einen flüchtigen Blick auf den Saum ihres braunen Wollkleids. Dunkle Wimpern warfen noch dunklere Schatten auf seine Wangen.
    Sie wusste, was er sah.
    Der Rock legte sich in Pfützen um ihre Füße. Ihre Tournüre hatte sie vor zwei Monaten verkauft.
    Langsam schlug er die Lider auf; sein Gesicht war eine Alabastermaske.
    Victoria sah sich, wie er sie sehen musste. Ihr Gesicht war hager vor Kälte, Angst und Hunger, ihr dunkelbraunes Haar matt vom Waschen in eiskaltem Wasser ohne jedes Waschmittel.
    Sie war nicht schön, aber Schönheit hatte sie ihm auch nicht angeboten; sie hatte ihm ihre Unberührtheit geboten. Victoria straffte die Schultern.
    »Wie heißen Sie, Mademoiselle?«, fragte er höflich, unverbindlich. Als hätten sie sich auf einem Ball kennen gelernt statt in einem Lokal mit schlechtem Ruf.
    Verschiedene Namen gingen Victoria durch den Kopf: Chastity , Keuschheit, Prudence , Besonnenheit. Keiner war angebracht. Eine keusche, besonnene Frau wäre jetzt nicht in ihrer Lage.
    »Mary«, log sie. Und wusste, dass er ihre Lüge durchschaute.
    »Legen Sie Ihren Umhang und die Tasche auf den Stuhl.«
    Victoria sog die Lippen an die Zähne, um ihre aufwallende Wut zu bezähmen. Er konnte sie immer noch zurückweisen, dieser elegante Mann, der von Schönheit und Luxus umgeben war. Nicht einen Gedanken würde er an die Hölle verschwenden, in die seine Zurückweisung sie verdammen würde.
    Zu ihrer Linken glitzerte Gold an einer Bücherwand mit geprägten Ledereinbänden. Über ihrem Kopf strahlte ein Kristalllüster Hitze aus. Zu ihrer Rechten tanzten blau-gelb-rote Flammen in einem schwarzen Marmorkamin.
    Eine blendende Sekunde lang hasste sie den Mann mit dem silberblonden Haar und den silbergrauen Augen für seinen Reichtum und die Männlichkeit, mit der er geboren war. Nur ihr Geschlecht und die Macht, die Männer aus der Unterwerfung einer Frau bezogen, hatten sie so tief sinken lassen, ihre Jungfräulichkeit zu verkaufen.
    Victoria trat vor und legte den zerlumpten Wollumhang über die Lehne des Ledersessels, der ihr einziger Schutz war. Zögernd ließ sie die Tasche auf das Polster fallen und verhöhnte sich innerlich für ihr Widerstreben, sich davon zu trennen: Das einzig Wertvolle, was ihr geblieben war, war ihr Jungfernhäutchen.
    Und auch das sollte bald dahin sein.
    Mit plötzlicher Schärfe sagte er: »Gehen Sie von dem Sessel weg.«
    Victoria schaute auf in stechende silberne Augen.
    Ihr Herz pochte bis in ihre Kehle.
    Die Wut, die in ihr schwelte, zwang das Herzklopfen nieder. Sie wollte kein Opfer sein. Nicht dieses Mannes. Nicht des Mannes, der ihr Leben systematisch zerstört hatte, nur weil er umsonst bekommen wollte, wofür dieser Mann zu zahlen bereit war.
    Entschlossen trat Victoria neben den Sessel.
    »Soll ich mein Kleid ausziehen?«, fragte sie unverfroren, wobei ihr Herz hämmernd in Ohren, Schläfen und Brust pochte. »Oder soll ich bloß meinen Rock schürzen und mich an eine Wand lehnen?«
    »Schürzen Sie oft Ihren Rock, Mademoiselle?«, fragte er höflich mit mutwilligem Blick.
    Victorias Kopf schnellte hoch. »Ich bin keine Hure«, sagte sie gepresst. Aber wozu?
    Schatten schimmerten in seinen Augen und machten aus Silber Grau. »Sie haben Ihren Körper versteigert, Mademoiselle. Ich versichere Ihnen, das macht Sie zur Hure.«
    »Und Sie haben meinen Körper gekauft, Sir«, schlug sie zurück. »Was macht das aus Ihnen?«
    »Eine Hure, Mademoiselle«, sagte er ausdruckslos, das blasseGesicht eine schöne Maske. »Sind Sie nicht nur hart, sondern auch nass?«
    Schrecken durchfuhr Victoria.
    Er hatte bestimmt nicht gesagt, was sie zu hören

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