About a Boy
… aufs Leben halt.« »Was ist damit?« »Es ist scheiße.«
Marcus dachte darüber nach. Er fragte sich, ob das Leben scheiße war und ob gerade Ellies Leben nun so scheiße war, und dann begriff er, dass Ellie unentwegt damit beschäftigt war, sich zu wünschen, das Leben sei scheiße, und dann dafür zu sorgen, dass es scheiße wurde, indem sie es sich selbst so schwer wie möglich machte. Die Schule war scheiße, weil sie jeden Tag ihr Sweatshirt trug, was sie nicht durfte, und weil sie Lehrer anschnauzte und Streit anfing, was die Leute aufbrachte. Aber was wäre, wenn sie ihr Sweatshirt nicht tragen und die Leute nicht mehr anschnauzen würde? Wie scheiße wäre das Leben dann? Nicht besonders, überlegte er. Für ihn war das Leben wirklich scheiße, mit seiner Mutter und den anderen Kindern in der Schule und all dem, und er gäbe alles dafür, Ellie zu sein; aber Ellie schien entschlossen zu sein, sich in ihn zu verwandeln, und warum sollte das irgendjemand wollen?
Das erinnerte ihn irgendwie an Will und seine Bilder von toten Drogensüchtigen; vielleicht war Ellie wie Will. Wenn einer von den beiden im Leben echte Probleme hätte, würden sie sich keine erfinden wollen oder müssen oder sich Bilder davon an die Wände hängen.
»Stimmt das wirklich, Ellie? Findest du das Leben wirklich
scheiße?«
»Klar.«
»Warum?«
»Weil … die Welt sexistisch und rassistisch und voller Ungerechtigkeiten ist.«
Marcus wusste, dass das stimmte - seine Mutter und sein Vater hatten ihm das oft genug gesagt -, aber er war nicht davon überzeugt, dass das Ellie so wütend machte. »Und fand Kurt Cobain das auch?« »Ich weiß nicht. Wahrscheinlich.«
»Du bist also nicht sicher, dass er genauso empfand wie du.«
»Er hörte sich an, als hätte er das getan.«
»Würdest du dich gerne erschießen?«
»Klar. Manchmal jedenfalls.«
Marcus blickte sie an. »Das stimmt nicht, Ellie.« »Woher willst du das wissen?«
»Weil ich weiß, wie sich meine Mutter fühlt. Und du fühlst dich nicht so. Du möchtest gerne glauben, dass du es tust, aber du tust es nicht. Du hast viel zu viel Spaß am Leben.« »Ich habe ein Scheißleben.«
»Nein, ich habe ein Scheißleben. Außer in der Zeit, in der ich
mit dir zusammen bin. Und meine Mutter hat ein Scheißleben.
Aber du? Das glaube ich nicht.«
»Du weißt doch gar nichts.«
»Ein paar Sachen schon. Das weiß ich jedenfalls. Eins kann ich dir sagen, Ellie, du fühlst dich kein bisschen wie meine Mutter oder wie Kurt Cobain. Du solltest nicht sagen, dass du dich gerne umbringen würdest, wenn es gar nicht stimmt. Das ist nicht richtig.«
Ellie schüttelte den Kopf und lachte ihr leises Keiner-verstehtmich-Lachen, das Marcus seit dem Tag nicht mehr gehört hatte, an dem sie sich vor Mrs. Morrisons Büro begegnet waren. Sie hatte Recht gehabt, damals hatte er sie nicht verstanden; jetzt verstand er sie viel besser.
Ein paar Haltestellen lang saßen sie schweigend da. Marcus schaute aus dem Fenster und überlegte, wie er Ellie seinem Vater erklären könnte. Er bemerkte kaum, dass der Zug in Royston einlief, und schaltete selbst dann noch nicht richtig, als Ellie plötzlich aufstand und aus dem Zug sprang. Er zögerte einen Moment lang und sprang dann, mit einem scheußlich flauen Gefühl im Magen, ebenfalls raus. »Was hast du vor?«
»Ich will nicht nach Cambridge. Ich kenne deinen Vater gar nicht.«
»Das wusstest du auch vorher schon und wolltest trotzdem mit.« »Das war eben vorher. Jetzt ist alles anders.«
Er folgte ihr; er würde sie nicht aus den Augen lassen. Sie verließen den Bahnhof, gingen eine Seitenstraße hoch und dann auf die High Street. Sie gingen an einer Apotheke, an einem Gemüseladen und an einem Tesco-Supermarkt vorbei, und dann kamen sie zu einem Schallplattenladen, in dessen Fenster eine große Pappfigur von Kurt Cobain stand.
»Sieh dir das an«, sagte Ellie. »Die Schweine. Schon versuchen sie, Geld mit ihm zu scheffeln.«
Ellie zog einen ihrer Stiefel aus und warf ihn mit aller Kraft gegen die Scheibe. Sie bekam gleich beim ersten Versuch einen Sprung, und Marcus wunderte sich noch, wieso die Schaufensterscheiben in Royston so viel zerbrechlicher waren als die in London, ehe er richtig begriff, was vorging. »Mann, Ellie!«
Sie hob den Stiefel auf und benutzte ihn als Hammer, um vorsichtig ein Loch zu schlagen, das groß genug war, dass sie sich, ohne sich zu schneiden, durchs Fenster lehnen und Kurt Cobain aus seinem Plattenladenkerker
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