About a Boy
befreien konnte.
»So. Er ist frei.« Sie setzte sich auf den Bordstein vor dem Laden, hielt Kurt an sich gepresst wie eine Bauchrednerpuppe und lächelte auf diese seltsame Art vor sich hin; Marcus geriet in Panik. Er raste die Straße rauf, fest entschlossen, den ganzen Weg zurück nach London oder weiter nach Cambridge zu laufen - es kam ganz darauf an, in welche Richtung er gerade rannte. Doch nach ein paar Metern begannen ihm die Knie zu zittern, er blieb stehen, atmete ein paar Mal tief durch und ging dann zurück und setzte sich neben Ellie. »Warum hast du das getan?«
»Weiß nich. Ich fand es einfach nicht richtig, er so ganz alleine da drin.«
»Ach, Ellie.« Wieder mal hatte Marcus das Gefühl, dass Ellie nicht hätte tun müssen, was sie gerade getan hatte, und dass sie den Schlamassel, in dem sie jetzt war, selbst verschuldet hatte. Er war es leid. Es war nicht echt, und es gab genügend echte Probleme in der Welt, ohne dass man sich noch künstliche schaffen musste.
Die Straße war menschenleer gewesen, als Ellie das Fenster einschlug, aber das Geräusch von splitterndem Glas hatte Royston aufgeweckt, und einige Leute, die gerade ihre Läden schlossen, waren herbeigelaufen, um zu sehen, was passiert war.
»Na schön, ihr beiden. Ihr rührt euch nicht vom Fleck«, sagte ein braun gebrannter Typ mit langen Haaren. Marcus schätzte, dass er Friseur war oder in einer Boutique arbeitete. Vor einiger Zeit wäre er noch nicht in der Lage gewesen, solche Beobachtungen zu machen, aber wenn man lange genug mit Will zusammen war, schnappte man einiges auf.
»Wir werden nirgendwo hingehen, stimmt’s, Marcus?«, sagte Ellie zuckersüß.
Als sie im Polizeiauto saßen, erinnerte sich Marcus an den Tag, an dem er aus der Schule abgehauen war, und an die Zukunft, die er sich an jenem Nachmittag vorausgesagt hatte. In gewisser Weise hatte er Recht behalten. Sein ganzes Leben hatte sich verändert, ganz, wie er es erwartet hatte, und nun war er sich fast sicher, dass er als Stadtstreicher oder Drogensüchtiger enden würde. Ein Krimineller war er jetzt schon. Und an allem war seine Mutter schuld! Hätte seine Mutter sich nicht bei Mrs. Morrison wegen der Schuhe beschwert, wäre er nie sauer auf Mrs. Morrison geworden, weil sie ihm vorschlug, den Kindern, die ihn terrorisierten, aus dem Weg zu gehen, und dann wäre er nie einfach rausgegangen, und … Und er hätte Ellie an diesem Morgen nicht kennen gelernt. Ellie hatte sich hier zu verantworten. Schließlich war sie es gewesen, die gerade einen Stiefel in eine Schaufensterscheibe geschmissen hatte. Das Dumme war, dass man sich, wenn man erst mal zum Schulschwänzer geworden war, auch mit Leuten wie Ellie rumtrieb, in Schwierigkeiten kam, festgenommen und zur Polizeiwache von Royston gebracht wurde. Jetzt konnte er es nicht mehr ändern.
Die Polizisten waren freundlich, das musste man sagen. Ellie hatte ihnen auseinandergesetzt, sie sei weder ein Hooligan noch drogensüchtig; sie habe lediglich - wie es ihr gutes Recht als Bürgerin sei - ihren Protest gegen die kommerzielle Ausschlachtung von Kurt Cobains Tod zum Ausdruck bringen wollen. Die Polizisten fanden das komisch, was Marcus als gutes Zeichen interpretierte, obwohl es Ellie ausgesprochen wütend machte: Sie sagte ihnen, sie seien gönnerhaft zu ihr, und die Polizisten sahen sich an und mussten noch mehr lachen.
Als sie auf der Wache waren, wurden sie in einen kleinen Raum geführt, und eine Polizistin kam herein und redete mit ihnen. Sie fragte, wie alt sie seien, wo sie wohnten und was sie in Royston machten, und Marcus versuchte ihr die Sache mit seinem Vater, dem Fensterbrett, der großen Sinnkrise, Kurt Cobain und dem Wodka zu erklären, musste aber einsehen, dass das alles ziemlich verworren war und die Polizistin nicht verstehen konnte, was der Unfall seines Vaters mit Ellie und der Schaufensterscheibe zu tun hatte, also gab er es auf. »Er hat überhaupt nichts getan«, sagte Ellie plötzlich. Sie sagte es nicht gerade nett; sie sagte es, als hätte er etwas tun müssen, es aber nicht getan. »Ich bin aus dem Zug gestiegen, und er ist mir gefolgt. Ich habe das Fenster zerbrochen. Lasst ihn laufen.« »Laufen? Wohin denn?«, fragte die Polizistin sie. Das war eine gute Frage, fand Marcus, und er war froh, dass sie gestellt wurde. Er wollte wirklich nicht unbedingt in Royston laufen gelassen werden. »Wir müssen einen seiner Eltern anrufen. Und deine müssen wir auch anrufen.«
Ellie starrte
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