Abschied braucht Zeit
Betroffenen erfolgt. Die gezielte Tötung auf Wunsch des Patienten durch eine nur zu diesem Zweck durchgeführte Handlung, z.B. die Verabreichung einer tödlichen Medikation, gehört nicht nur aus juristischen Gründen, sondern auch im moralischen Selbstverständnis der meisten Ärzte nicht in den Verantwortungsbereich der Medizin und schon gar nicht der Palliativmedizin.
Der Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen (sowohl die Nichteinleitung wie auch deren Beendigung), um den Tod zuzulassen, wird in Deutschland als passive Sterbehilfe bezeichnet. Obwohl es sich nicht um die Verabreichung einer tödlichen Medikation handelt, ist die Folge in der Regel absehbar. Intention ist das Zulassen des Todes und nicht das Töten. Dabei handelt es sich zwar gelegentlich um eine aktive Handlung, z.B. wenn eine Beatmungsmaschine abgestellt oder die künstliche Ernährung beendet wird, im Gegensatz zur Euthanasie ist diese Handlungsform aber rechtlich und ethisch zulässig und sogar geboten, wenn es auf Verlangen der Betroffenen erfolgt. Dennoch bestehen gelegentlich Unsicherheiten, wenn es um die juristische und ethische Bewertung solcher Entscheidungen geht. Voraussetzung für ein Sterbenlassen durch Verzicht ist immer der (mutmaßliche) Wille des Patienten. In weit fortgeschrittenen Erkrankungssituationen kann die Beendigung lebensverlängernder Maßnahmen aus prognostischen Erwägungen geboten sein, wenn dadurch das Sterben nur verzögert wird. Dies entspricht ohnehin dem Grundprinzip palliativmedizinischen Handelns, dass in weit fortgeschrittenen Erkrankungssituationen nicht zwangsläufig alles getan werden muss, was möglich ist, um den Betroffenen am Leben zu erhalten, besonders dann, wenn mögliche Maßnahmen mehr schaden als nutzen. Bereits Mitte der 1980er-Jahre wurde durch den Bundesgerichtshof festgestellt, dass es keine Verpflichtung zur Erhaltung des erlöschenden Lebens um jeden Preis gibt ( BGH 1984), und im Juni 2010 wurde durch eine Entscheidung des 1. Strafsenats des BGH nochmals in sehr eindeutiger Weise auf die Zulässigkeit der passiven Sterbehilfe hingewiesen, wobei rechtlich kein Unterschied besteht, ob das Sterben durch eine aktive Begrenzung von lebensverlängernden Maßnahmen oder durch ein passives Unterlassen erfolgt.
In Ergänzung zur passiven Sterbehilfe unterscheidet man in Deutschland noch die indirekte Sterbehilfe sowie die (ärztliche) Beihilfe zum Suizid . Unter indirekter Sterbehilfe (Sterbebegleitung und Therapien am Lebensende) versteht man eine unbeabsichtigte Lebensverkürzung als Nebenwirkung bei der Durchführung lindernder medizinischer Maßnahmen. Ethische Grundlage hierzu ist die Doktrin des Doppeleffektes, in der zwischen intendierten, d. h. ethisch positiv bewerteten, sowie nicht beabsichtigten, aber mit einer Handlung assoziierten negativen Folgen unterschieden wird. Leidensminderung hat Vorrang vor bloßer Lebensverlängerung, entschied der Bundesgerichtshof 1996. Das Recht wendet sich damit gegen jeden »Leidensheroismus« und gegen jede »Aufdrängung von Lebenszwang« mit dem Ziel, optimale Schmerzlinderung mit den modernen Möglichkeiten der Palliativmedizin zu garantieren. 50
Die ärztliche Beihilfe zum Suizid unterscheidet sich von der aktiven Sterbehilfe durch das Kriterium der Tatherrschaft.Beihilfe zum Suizid ist in Deutschland kein Gegenstand des Strafgesetzbuchs, da der eigenständig durchgeführte Suizid keine Straftat ist. Bei einer Beteiligung von Ärzten können allerdings juristische Abgrenzungsprobleme in Hinblick auf die ärztliche Garantenpflicht und unterlassene Hilfeleistung auftreten. Nach den Grundsätzen der Bundesärztekammer gehört die Mitwirkung bei der Selbsttötung nicht zu den ärztlichen Aufgaben. Auch in der im Mai 2011 vom Deutschen Ärztetag beschlossenen Musterberufsordnung der Bundesärztekammer heißt es, dass Ärzte keine Beihilfe zum Suizid leisten dürfen, so dass ein Arzt, der – aus welchen Erwägungen auch immer – bei einem Suizid mitwirkt, dies nicht mit seinem ärztlichen Auftrag rechtfertigen kann.
Die Konfrontation mit Sterbe- und Tötungswünschen bei schwerstkranken Menschen stellt auch in der Palliativbetreuung zunächst einmal eine emotionale Herausforderung dar, die einfühlsames Verstehen und besonderen Respekt erfordert. Bei sterbenskranken Menschen lassen sich zwei Gruppen deutlich unterscheiden. Die eine Gruppe umfasst diejenigen, die im Bewusstsein des Todes eine Verbesserung ihrer Lebensqualität erwarten, aber
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