Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)
einem Erfolg werden würde. Werbung satt und genug. Die WZ hatte zwar versäumt, die von mir eingereichte Ankündigung zu drucken. Aber wer liest dieses Käseblatt schon. Meine Briefe an Bekannte, die Plakate überall in der Stadt sollten doch reichen. Und vielleicht hatte Radio Wuppertal den Hinweis ja gesendet. So betrat ich den Ort meiner Lesung.
Der Besitzer war da. Natürlich. Er hatte aufgeschlossen. Er saß auf seinem Drehstuhl, ein Pils vor sich. Hallo, sagte er, dann: Hans-Dieter hätte gerade angerufen, er könne leider nicht kommen, er wäre dann erst gegen 6’ hier, um Küche zu machen. Erledige den Service also doch alleine, sagte er, wird schon nicht so wild werden. Die Eingangstür ging auf und zwei ältere Damen schauten herein. Gäbe es bei uns Kaffee und Kuchen, fragten sie, und da es Kuchen nicht gab, gingen sie wieder. Dann klingelte das Telefon. Ein weiterer meiner Kollegen der bedauerte. Eine Viertelstunde noch bis zum angekündigten Beginn. Ich rückte die Tische und Stühle vor dem Podium in die richtigen Positionen, zündete die Kerzen auf den Tischen an, stellte mir zwei Barhocker auf die Bühne, einen zum Sitzen, auf den anderen legte ich meine Manuskriptseiten ab. Dann drapierte ich die mitgebrachten Kopien meines Romans auf dem Tisch neben der Tür, legte das ausgedruckte Hinweisschild Pro signiertem Exemplar 9,90 Euro dazu. Fünf Minuten noch. Ich schenkte mir einen Rotwein ein. Das passende Getränk für einen Schriftsteller, wie ich fand. Dann war die Zeit gekommen.
Mein Chef zapfte sich noch ein Pils. Fünf Minuten über die Zeit. Dann ging die Tür auf, und meine Käseverkäuferin kam in Begleitung einer Freundin herein, die gleich meinte, wäre aber nicht viel los. Ich trank den Rotwein aus und schenkte mir nach, scherzte über die akademische Viertelstunde. Eine Krux, wenn man vor allem Studenten kennt. In diesem Moment torkelte einer meiner Kollegen herein, sichtlich gezeichnet von einer durchzechten Nacht. Schön, das schon auf wär’, meinte er. Seine Freundin hätte gestern Schluss gemacht, und er bräuchte jetzt dringend noch einen Tequila. Schließlich kamen noch zwei ältere Frauen, die Kaffee und Kuchen wollten, aber auch nur mit einem Kaffee vorlieb nahmen, so dass sie blieben. Zehn Minuten nach angekündigtem Beginn. Ich war geschockt. Damit hatte ich nicht gerechnet. Machte gute Miene zum bösen Spiel. Was sollte ich anderes tun, als beginnen? Mein Kollege baggerte derweil die Freundin meiner Käseverkäuferin an, versuchte sie zu einem Tequila zu überreden. Mein Chef ließ sich von mir noch ein Pils bringen und starrte der Käseverkäuferin in den Ausschnitt. Ich goss mir ein weiteres Glas Rotwein ein und bat die anwesenden Gäste, an den Tischen vor der Bühne Platz zu nehmen. Schau Sarah, sagte die eine ältere Dame zur anderen, Kultur statt Kuchen! In diesem Moment kam – im Gegensatz zum letzten Mal sehr dezent gekleidet und geschminkt – Lili herein. Auch damit hatte ich nicht gerechnet.
Als Erste gingen die zwei Damen. Ich hatte kaum fünf Minuten gelesen, da stand die Eine auf. Komm Sarah, das ist nichts für uns. Mittlerweile trank ich den Rotwein aus der Flasche, während meine andere Hand die Seiten hielt, die ich gerade las. Die Seiten flatterten, so sehr zitterte ich. Lili blickte mich ernst an. Ich las tapfer weiter, schaffte es, mich nicht aus dem Takt bringen zu lassen, als mein Kollege plötzlich aufsprang und mit bleichem Gesicht, sich die Hände vor den Mund pressend, hinaustaumelte. Ich lächelte, ich trank, ich las weiter. Was sollte ich auch sonst tun? Als mein Kollege vom Klo zurückkam, ein neues Glas Tequila in der Hand, sein T-Shirt ganz vollgespuckt. Als die Freundin meine Käseverkäuferin vom Stuhl zog, komm’, davon wird auch mir schlecht. Und die dann zu mir nach vorne kam und sagte, das hätte sie nicht gedacht von mir, so ein netter Kerl und schreibt so ein widerliches, brutales Zeug. Dabei hatte ich einen weichen Einstieg in die Welt des Sammlers gewählt. Aber was wollte man von einer Verkäuferin erwarten? Dann kam sogar noch ein neuer Gast. Ein Mann mittleren Alters. Typ Midlife-Crisis , blondierte Haare, offenes Hemd. Er setzte sich zielstrebig neben Lili. Sie lächelte. Er küsste sie auf die Wange. Ich las weiter.
Mein Chef holte sich das nächste Bier. Er sah auf die Uhr. Er blieb an der Theke stehen, obwohl er von dort wahrscheinlich nur schlecht meinem Text folgen konnte. Aber vielleicht hatte er einen besseren Blick
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