Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)
aufmachen musste. Als die beiden Hand in Hand mein Zimmer betraten, geschah dies genau in dem Augenblick, da ich die Seite aus meiner Schreibmaschine riss, zerknüddelte und in Richtung der Bücher warf, die ich als vorbereitende Lektüre für meine Hauptfigur benutzte und die ich dekorativ um mein Sofa herum drapiert hatte. Johannas Freundin meinte gleich: »Der Künstler am Werk!«, und als ich aufstand, ihnen entgegenkam und sagte: »Na, ein Werk soll es noch werden, jetzt ist es vielleicht nur ein Werkchen!«, war das Eis gleich gebrochen.
Wir fuhren dann zum RPL, dem Rockpommels Land. Raphaela saß am Steuer und Johanna neben ihr auf dem Beifahrersitz. Eine Flasche Rotwein kreiste, geht ja fast immer nur gerade aus auf der B7 Richtung Gevelsberg, aus dem Kassettenrekorder dröhnte, uns auf die erwartete Musik einstimmend, Led Zeppelin, Johannas Kassette, am Vortag aufgenommen. Since i’ve been loving you , dreimal hintereinander, dann viermal Babe i’m gonna leave you . »Heuhaufen-Stimmung?!«, schrie ich nach vorne und stupste ihr mit einem Finger in die Seite (was so viel bedeuten sollte, wie: Schau her, hier bin ich doch, die Nadel!), woraufhin Johanna mich, sich mit ihrem Oberkörper zwischen den Sitzen nach hinten zwängend (sie fuhr ohne Gurt), am Nacken packte, mich doch wahrhaftig auf den Mund küsste, dabei sogar mit ihrer Zunge meine Lippen berührte, und ebenfalls schrie: »Ja, und Grenzenverwisch-Stimmung!«. Na, dachte ich, das kann ja was geben.
Und es gab etwas. Etwas, was es, bei aller Liebe für Johanna, bestimmt nicht gegeben hätte, wenn sie mich nicht so betrunken gemacht hätten. Ich sage es mal so. Johanna war mit ihrer Mission, meine Möglichkeiten quantitativ (und wie ich es empfand, vor allem qualitativ) zu erweitern, in dieser Nacht erfolgreich. Denn die Nacht, die wir zu dritt begonnen hatten, endete in Raphaelas Altbauwohnung zu viert.
Raphaela war erstaunlich. Wenn ich nicht schon ein Auge auf Johanna geworfen gehabt hätte, dann wäre es gut möglich gewesen, dass ich mich in sie verguckt hätte. Ich habe noch nie eine Frau gesehen, die bei den ruhigen Parts eines Rockstücks so aus den Hüften heraustanzte, um dann bei den härteren Stellen förmlich zu explodieren. Ich und Johanna standen an der Tanzfläche, mit dem Rücken zur Theke (wo sie einen Gin-Tonic nach dem nächsten orderte und bezahlte) und beobachteten sie, beziehungsweise, ich beobachte vor allem Johanna, wie sie Raphaela beobachtete, und wenn ich ein Blitzen in ihren Augen sah, dann sah ich auf die Tanzfläche, wo ihre Freundin umringt von lauter gestandenen Rockern und rockbegeisterten Studenten ihre Hüften schwang. Zwischendurch tanzten auch wir, ich und Johanna, wobei es mir sehr angenehm den Rücken herunter kribbelte, dass sie mich dabei fortwährend ansah, mich manchmal in ihre Arme nahm, ihren Unterleib gegen meinen schwingen ließ, und mir ins Ohr sang, wobei sie ein ums andere Mal mit ihrer Zunge meine Ohrmuschel liebkoste.
Das tat sie auch später in dieser Nacht noch einmal, da alles gelaufen war und wir auf Raphaelas breitem Bett lagen, rauchten und ich mühsam versuchte, mir darüber klar zu werden, was denn da eigentlich geschehen war. »Und war es so schlimm? Jetzt hast du jedenfalls Stoff für deinen Roman!«, meinte sie leise, um die beiden anderen nicht zu wecken, und das Lächeln in ihrer Stimme war nicht zu überhören, als sie dann noch sagte: »Ich habe Raphaela extra gebeten, uns einen Kerl auszusuchen, der glatt rasiert ist!«
» Ja!«, meinte ich, nur mühsam meine Beherrschung behaltend, da mir bei ihren Worten schlagartig klar wurde, dass ich nicht die von ihr gesuchte Nadel im Heuhaufen war, sondern nur jemand, mit dem man sich nett die Zeit im Heu vertreiben konnte, bis man irgendwann auf eben jene Nadel stieß, »Ja, Haare auf den Zähnen hat er jedenfalls keine gehabt!« Gleichwohl dachte ich, dass ich diesen Typ so ganz spontan doch gerne um einiges gründlicher rasieren würde, als es einem Mann lieb sein kann...
Nun gut, er konnte nichts dafür, dass ich auf Johannas linkes Spiel hereingefallen war. Gezwungen mitzuspielen hat mich ja schließlich auch keiner. Es sei denn, man wollte diesen unwiderstehlichen Drang, den ich verspürte, nicht lange, nachdem wir zu viert Raphaelas Wohnzimmer betreten und uns über eine Flasche Jack Daniels hergemacht hatten, und Johanna begann, zu tanzen und sich dabei ihrer Wäsche zu entledigen... Also, es sei denn man wollte diesen Drang,
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