Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)
ihren Spielen mit den Männern zu beobachten.
» Und was das erst immer für ein prickelndes Gefühl im Unterleib ist, wenn ich nach einer solchen Nacht in die Küche gehe und Gerd sitzt da, und ich weiß ja nicht, ob er mich wirklich gesehen hat, es könnte ja sein, dass ich dies die ganze Zeit nur gedacht habe und in Wahrheit alleine war, und er sitzt da, und ich versuche in seinem Gesicht, seinen Augen, seinen Bewegungen und seinem Atmen zu entdecken, ob er mir wirklich zugesehen hat. Wie das prickelt! Und wenn ich in seinem Blick dann sehe, ja, wenn ich dann z.B. sage: Ich hoffe, es war heute Nacht nicht zu laut, als X oder Y gegangen ist , und ich sehe in seinem Blick, dass er nicht nur mitbekommen hat, wie X oder Y ging, sondern auch wie er kam, ja dann kommt es mir auch schon wieder beinahe!«
Bald, nachdem ich eingezogen war, wurde deutlich, dass sie auch mir eine Rolle in ihrem Spiel zugedacht hatte, die über das bloße Zuhören hinaus gehen sollte. Natürlich sah sie mich nicht als Mann der Tat, da brauchte ich nur an den von ihr bevorzugten Männertyp denken. Diana spekulierte darauf, dass ich ihre Schilderungen in meine Texte einfließen ließ. Und in ihrer Erwartung, von ihren Männergeschichten jetzt auch ein literarisches Zeugnis zu erhalten, wurde sie nicht enttäuscht.
Mein Roman war auch zu dieser Zeit noch nicht mehr als eine Materialsammlung, ich war immer noch auf der Suche nach meinem Mörder. Aber ich arbeitete hart, versuchte dies und das, und bei den Nebenfiguren, die bei dieser Arbeit anfielen, kam mir die Inspiration durch Diana gerade recht. Ich verteilte Diana gewissermaßen auf die verschiedenen Opfer meiner dilettantischen Mörderversuche. Und auf diesem Wege trug ich mein Scherflein dazu bei, ihren Spaß an der Männerwelt zu erhöhen. Immer häufiger klopfte es an meiner Tür. »Schläfst du schon?«, fragte Diana, den Kopf ins Zimmer steckend. Aber meistens schlief ich nicht, saß an meinem Schreibtisch und schrieb. Sie war gierig auf alles Neue, was ich zu Papier gebracht hatte. Den Gedanken, dass mein Buch einmal veröffentlicht werden würde, und somit auch andere Menschen lesen könnten, was ich über sie geschrieben hatte (und wenn nicht über sie, dann doch von ihr inspiriert), würde sie äußerst erregend finden, sagte sie.
Natürlich fand auch ich den Gedanken an die Veröffentlichung meines Romans sehr aufregend. Doch zunächst einmal musste ich ihn schreiben. Viele Stunden saß ich Tag für Tag an meiner Schreibmaschine (ich war so altmodisch), die ich mir bei einem Trödler gekauft hatte, und fabrizierte eine Unmenge an Ausschuss. Aber ich gab nicht auf. Mochte mein Mörder auch auf sich warten lassen, ich begann jeden Tag mit einem Lächeln. Denn das Leben als Student und insbesondere in meiner WG tat mir ausnehmend gut, denn nicht nur mit Diana, sondern auch mit Gerd und Udo verstand ich mich hervorragend. So manchen Abend verbrachten wir gemeinsam in der Küche über den Spielkarten. Wir spielten Doppelkopf, oder wenn Diana auf der Jagd war, Skat. Unter Udos Anleitung baute ich zu den Klängen seiner Vinylschätze meinen ersten Joint (»Balls to the wall, man!«, grölte er, und klärte mich auf: ,,meine erste Heavy-LP. Accept haben mich Heavy-Metal-mäßig entjungfert!«). Und Gerd zeigte mir Wuppertal. Mit ihm unternahm ich so manchen Streifzug durch die abendlichen Gassen, für einen Niederrheiner waren die vielen Treppen und die steil ansteigenden Straßen eine echte Herausforderung, wobei es mir bei meiner Fußlahmheit sehr entgegen kam, dass er oft vor hell erleuchteten Fenstern stehen blieb, um einen Blick auf irgendetwas Interessantes zu erhaschen, so dass ich verschnaufen konnte.
Obwohl ich es finanziell nicht nötig hatte, suchte ich mir einen Job in einer vor allem von Studenten frequentierten Kneipe. Die Arbeit pustete mir den Kopf frei, so dass ich weniger verkrampft an meinem Roman arbeiten konnte. Außerdem genoss ich es, unter Leuten zu sein.
Neben all diesen Aktivitäten ging ich zudem sehr gern zur Uni. Man kann sagen, ich war ein fleißiger Student. Gab es auch keine Anwesenheitspflicht in meinen Lehrveranstaltungen, so war ich gleichwohl einige Tage in der Woche an der Universität. Allerdings waren die Kriterien, nach denen ich meine Veranstaltungen aussuchte, nicht gerade das, was man wissenschaftsimmanent nennen würde. Es sei denn, man hat einen sehr platonischen Wissenschaftsbegriff, so dass auf dem Wege zur Erkenntnis zu gehen hieße,
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