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Abschied von der Küchenpsychologie

Abschied von der Küchenpsychologie

Titel: Abschied von der Küchenpsychologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Nolting
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Eheliche Harmonie fördert die Lust auf gemeinsames Schmücken; disharmonische Paare fürchten, sich auch hierbei in die Haare zu geraten. Dann müsste der Titel etwa lauten: «Glückliche Paare schmücken den Baum gemeinsam», und im Text darunter würde man es noch präziser lesen: «Harmonie in der Paarbeziehung kann sich auch in gemeinsamem Schmücken des Weihnachtsbaumes zeigen.»
    Die Überschrift «Lametta für die Liebe» ist ein Beispiel für einen typischen Laienfehler (hier: von Journalisten). Wenn zwei Dinge zusammenhängen, darf man nicht einfach das eine zur Ursache des anderen erklären. Sehr häufig lassen sich Zusammenhänge in verschiedenen Richtungen interpretieren: A bewirkt B oder B bewirkt A oder A und B beeinflussen sich wechselseitig.
    Worauf stützt sich wissenschaftliche Psychologie?
    Psychologie ist heute ganz überwiegend eine empirische Wissenschaft. Sie stützt also ihre Erkenntnisse nicht nur auf Einfälle der Forscher, sondern prüft die Annahmen mit Hilfe von Erhebungen und Experimenten. In späteren Kapiteln werden viele Beispiele berichtet.
    Bei
Erhebungen
bzw.
Feldstudien
beobachtet oder befragt man Menschen zu ihren Verhaltensweisen, Meinungen, Stimmungen etc. Man
beobachtet
z.B. die Kommunikationsmuster von Paaren im Streitgespräch oder aggressives Verhalten von Kindern auf dem Schulhof, oder man registriert das Verhalten von Lehrkräften, deren Unterricht häufig gestört wird, im Vergleich zu jenen mit geringer Störungsrate. Man
befragt
Eltern nach ihren Erziehungsgewohnheiten, Jugendliche nach ihrem Alkoholkonsum oder Paare nach ihrem Vertrauen zueinander. Hat man
zwei
Sachverhalte beobachtet oder erfragt, z.B. die Erziehungsgewohnheiten der Eltern
und
aggressives Verhalten ihrer Kinder oder das Unterrichtsverhalten
und
die Störungsrate, dann kann man auch Zusammenhänge (Korrelationen) zwischen beiden ermitteln.
    Wie erwähnt, bekommt man durch Zusammenhänge allein noch keine sichere Antwort auf die Frage nach der Verursachung: Was bewirkt was? Genau hierfür braucht man
Experimente
, also die gezielte Herbeiführung eines Vorgangs zum Zwecke der Beobachtung. Häufig werden Experimente in Instituten durchgeführt, z.B. Experimente zu optischen Täuschungen oder zum Lernen am Computer. Demgegenüber finden sog. Feldexperimente in natürlicher Umgebung statt, z.B. zu Hause, in der Schule, in einem Ferienlager. So kann man z.B. im Ferienlager Methoden zur Verminderung von Gruppenkonflikten ausprobieren (vgl. S.  200 ); oder man kann in verschiedenen Wohnorten adressierte und frankierte Briefe auf der Straße «verlieren» und dann registrieren, ob die Hilfeleistung (das Einwerfen der Briefe) mit der Größe des Wohnortes zusammenhängt. In solchen und anderen Experimenten wissen die «Versuchspersonen» gar nicht, dass sie an einem Experiment teilnehmen.
    Es gibt auch Studien, in denen Menschen über Jahrzehnte hinweg in ihrer Entwicklung wissenschaftlich begleitet werden. Das sind sog.
Längsschnittuntersuchungen.
Sie sind besonders nützlich, um z.B. herauszufinden, wie stabil oder veränderlich individuelle Merkmale wie Intelligenz, Aggressivität oder Ängstlichkeit sind. Und man kann auch ermitteln, was einer Veränderung vorangegangen ist, was also die Gründe sein könnten.
    In allen Fällen hängen die Ergebnisse stark von den gewählten Forschungsmethoden ab, und in diesem Punkt haben Fachleute natürlich ein größeres Problembewusstsein als Laien. Was sagen uns z.B. die Ergebnisse einer Umfrage nach dem beliebten Muster: «Wie würden Sie sich verhalten, wenn …?» Zeitungen berichten dann vielleicht: « 70 Prozent würden helfen, wenn sie aus ihrem Auto einen Menschen am Straßenrand liegen sehen», oder: « 97 Prozent würden sich weigern, wenn sie einen Menschen mit Elektroschocks bestrafen sollen» (zu diesem Beispiel s. die Befunde auf S.  244 f.). Fachleute wissen: Hier stößt man an die Grenzen des Befragens. Denn es geht um hypothetische Situationen, und kaum jemand kann sein wirkliches Verhalten vorhersagen, weil es von vielen, auch schwer durchschaubaren Faktoren mitbestimmt wird. Eine Verhaltensbeobachtung im Experiment wäre hier die Methode der Wahl.
    Aber auch über seine Stimmungen kann man nicht immer ohne weiteres Auskunft geben, wie das folgende schöne Beispiel zeigt. Dass Menschen sich eher Freizeit als Arbeit wünschen, dass sie sich in der Freizeit gewöhnlich wohler fühlen, das scheint selbstverständlich, und eine direkte Befragung

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