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Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Titel: Radio Miracoli und andere italienische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Bartolomei
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Claudio
    »Ihre letzte Anstellung liegt fünf Jahre zurück …«
    »Ja, fünf.«
    »Sie waren im Einzelhandel tätig, in der Modebranche … korrekt?«
    »Ja, als Verkäuferin. Bei Cherì. Kennen Sie das Geschäft? Der große Laden in der Viale Marconi, an der Ecke …«
    Ironisch lächelnd nicke ich, als sie »Verkäuferin« sagt. Wie mir diese Lebensläufe zum Hals heraushängen. Ich hasse es, nicht für voll genommen zu werden, und sehe nicht ein, weshalb die Bewerber gezwungen werden, mindestens zwei Seiten zu füllen. Ich ertrage es nicht mehr, jedes Mal Phrasen zu lesen wie »Teamfähigkeit« und »gutes Englisch«, und vor allem ödet mich der letzte Teil mit den »persönlichen Interessen« an: Was interessiert es mich, ob die Frau, die mir gegenübersitzt, gern ins Kino geht, eine begeisterte Köchin ist oder einen Kurs in ayurvedischer Massage belegt hat?
    »In der fraglichen Branche haben Sie jedoch keinerlei Erfahrung vorzuweisen«, sage ich und überfliege rasch den Lebenslauf.
    »Nicht in Supermärkten.«
    »Wir suchen qualifiziertes Personal, das hoch motiviert ist.« Jetzt kommt der schwierigste Moment. Ich muss mich von dem Blatt Papier losreißen und ihr in die Augen schauen.
    »Aber ich bin hoch motiviert. Ich will diese Stelle unbedingt haben.«
    »Das sagen sie alle. Die erste Woche überschlagen sie sich noch vor Freundlichkeit und lächeln ständig, aber dann …«
    »Ich bin von Natur aus ein freundlicher Mensch. Ich stehe morgens schon mit einem Lächeln auf.«
    »… aber dann vergeht es den meisten, sobald sie die Stechkarte abgestempelt haben. Sehen Sie, wir gehen andere Wege. In anderen Supermärkten gibt es Kassiererinnen, bei uns nicht. An der Kasse sind Sie die Visitenkarte unseres Unternehmens – quasi unser Gesicht. Wenn Sie mit hängenden Mundwinkeln dasitzen, bietet der ganze Supermarkt einen traurigen Anblick. Wissen Sie, wie viel wir allein für gute Beleuchtung ausgeben?«
    »Nein … keine Ahnung.«
    »Dreißigtausend Euro im Jahr. Und wissen Sie, warum?«
    »Nein.«
    »Weil das Ambiente hell sein muss, heiter. Die Kunden müssen mit bester Laune an die Kasse kommen, wo sie von Ihrem strahlenden Lächeln empfangen werden und sich freudig von ihrem Geld trennen, ohne einem auf die Nerven zu gehen. Haben Sie ein ausgeglichenes Wesen? Jeder dritte Kunde wird Sie blöd anmachen.«
    Mist. Beim letzten Satz ist mir die Stimme ins Falsett entgleist.
    »Kann ich mir vorstellen.«
    Dabei starrt sie auf meinen Kopf. Das muss sie schon die ganze Zeit über gemacht haben, als ich in ihren Lebenslauf vertieft war. Jetzt fällt ihr Blick erneut auf meine kahlen Stellen.
    »Glauben Sie, Sie sind diesen Anforderungen gewachsen? Ich gebe doch keine dreißigtausend Euro im Jahr dafür aus, dass meine Kassiererinnen die Beherrschung verlieren.«
    »Ich denke schon.«
    »Sie denken ? Gut, dann denken Sie zu Hause in Ruhe darüber nach, und wenn Sie sicher sind, kommen Sie wieder.«
    »Nein, nein, ich wollte sagen … klar doch, ja, natürlich bin ich sicher.«
    »Ah, noch ein letzter Punkt. Sie sind zweiunddreißig Jahre alt und haben noch keine Kinder …«
    »Nein.«
    »Kinder sind wichtig …«
    »Selbstverständlich.«
    Sie ist mir auf den Leim gegangen. Hätte ich sie gefragt, ob sie die Absicht hat, Kinder zu bekommen, hätte sie im Brustton der Überzeugung verneint.
    »Für Sie sind Kinder wichtig, nicht für mich. Kinder machen Probleme. Auch ich habe Probleme, alle hier haben welche. Und wenn wir anfangen, uns gegenseitig mit unseren Problemen zu belasten … Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    »Sicher. Für mich ist das kein Problem.«
    »Na, hoffentlich.«
    Ich habe das Gefühl, dass alles gut gegangen ist. Gegen Ende hin hat meine Stimme ein wenig gezittert, aber ich glaube nicht, dass sie es bemerkt hat. Wir sind hier keine große Familie. Das müssen die Leute kapieren. Wir sind ein Unternehmen, in dem die Rollen klar verteilt sind. Ich bin der Chef, sie sind die Angestellten. Die letzte Frage zu den Kindern ist die Schlimmste, und mir ist immer unwohl dabei. Wenn man dir verärgert antwortet, dass du laut Gesetz kein Recht hast, diese Frage zu stellen, kannst du sicher sein, eine Nervensäge vor dir zu haben. Und ich will nicht noch einmal den Fehler machen und jemanden einstellen, der als Untergebener zu uns kommt und sich nach einer Woche als Chef aufführt.
    So wie Marino, sechzig Jahre alt, der beim Vorstellungsgespräch Mühe hatte, den Blick von seinen Füßen zu lösen,

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