Abschied Von Freistatt
Bart auf die Brust wie der eines Meisters. Dank Gillas gutem Essen hatte er wieder genug Fleisch auf den Knochen. Manchmal verbarg er sich hinter einer Würde, die ihn viel älter erscheinen ließ, als er war.
»Ihr könnt mich vor die Türe setzen, aber niemand kann mich zwingen, dahin zurückzugehen. Selbst in den alten Tagen gingen Magier wie Enas Yorl und Ischade ihre eigenen Wege, und nun ist Markmor zurück und außerdem ein halbes Dutzend anderer unabhängiger Möchtegernzauberer, die die Tatsache zu verbergen suchen, daß nur sehr wenig von der alten Magie in der Stadt übriggeblieben ist.«
»Nun, wenn meine Magie überlebt hat, weil sie anders ist«, trumpfte Lalo auf, »warum versuchst du mich dann zu ändern?«
»Weil Magie Magie anzieht«, erwiderte Darios. »Ihr besitzt sie, und Ihr könnt Euch nicht davon befreien - und Ihr würdet es auch nicht wollen, wenn es ginge.« Die dunklen Augen blickten hoch, und Lalo verzog das Gesicht, denn er entsann sich der Tage, als er sowohl das körperliche als auch das magische Augenlicht verloren glaubte.* Jetzt wußte er es besser. Selbst wenn das Schicksal ihn erblinden lassen sollte, könnte er noch immer in der Anderwelt sehen.
»Randal versuchte sich Eurer zu bedienen, und jetzt, da sich die Dinge beruhigt haben, werden andere Euch nachstellen -andere, die Euch fürchten und Euch lieber aus dem Wege sähen. Oder solche, die Euch benutzen wollen, wie Molin Fackelhalter Euch benutzt, Freistatts Vergangenheit zu malen, um die Zukunft zu formen. Wundert Ihr Euch nicht über manche der Symbole, die er Euch malen läßt? Hier ist der Schlüssel dazu.« Er tippte auf seine Zeichnung. »Ich versuche nur,
Euch zu helfen. Wenn Ihr die Zusammenhänge nicht versteht, kann Molin oder Randal oder irgend jemand Euch benutzen, so wie Ihr Eure Farben benutzt.«
Lalo bedeckte seine Augen. Sein Kopf schmerzte ihn manchmal seit der Gehirnerschütterung, durch die er vorübergehend das Augenlicht verloren hatte. Jetzt fühlte er ein Pochen in den Schläfen - wenn die Kopfschmerzen wiederkamen, konnte er ebensogut wieder anfangen zu trinken!
»Die zweite Ebene«, fuhr Darios stur fort, »ist die Sphäre des Mondes. Sie beherrscht alle flüssigen Dinge, sowohl den Ozean als auch die astrale See. Eine gute Quelle von Symbolen für Angelegenheiten, die die Beysiber betreffen, findet Ihr nicht auch?«
Heute nachmittag, dachte Lalo, wird Darios Zeichnen üben, bis ihm die Finger abfallen!
Sie waren an der vierten Sphäre angelangt, als lachende Frauenstimmen in der Küche erklangen und Darios' Konzentration störten.
»Ich bezweifle, daß ich mir das alles merken werde«, sagte Lalo, dem Darios allmählich leid zu tun begann. Er hörte Gilla und ihren ältesten Sohn Wedemir, aber keine der beiden anderen Stimmen klang wie die des Mädchens, in das sowohl Wedemir als auch Darios verliebt waren. Darios kann den Unterschied nicht hören, erkannte Lalo. Vielleicht weiß ich doch auch ein paar nützliche Dinge. Er öffnete die Türe.
Chypre stieg ihm in die Nase, noch bevor er die beiden Frauen sah, die am neuen Küchentisch saßen und Gillas Enlibarorangen-Nußkuchen aßen. Gewänder aus feinstem Chiffon waren ihr Kompromiß zwischen dem Mindestmaß an Freistätter Schicklichkeit und der ungewöhnlichen Hitze. Sie boten einen schillernden Anblick in Gillas Küche, obgleich diese mit ihren blanken Kupfertöpfen und in Bündeln von den Balken hängenden Pfefferschoten bereits recht farbenfroh war.
Schirme aus bemalter Seide lehnten an den weißgetünchten Wänden. Eine der Frauen trug aufgetürmte granatfarbene Löckchen, die von Perlenschnüren gehalten wurden. Die kunstvoll geflochtenen dunklen Zöpfe der anderen schienen mit Gold bestäubt. Erst als sie ihm ihr Gesicht zuwandte, erkannte er hinter der aufwendigen Fassade den leuchtenden Geist, den er einst hinter einem grell geschminkten, von Armut gezeichneten Gesicht erblickt hatte.
»Valira! Du siehst gut aus!«
Darios, der ihm durch die Tür folgte, hielt inne und starrte in die Runde.
»Joia und Valira kommen aus dem Aphrodisiahaus«, sagte Gilla und unterdrückte ein Lächeln. »Meine Damen, das ist Darios, der Lehrling meines Gatten.«
»Er trägt die Robe eines Magiers.«, sagte das zweite Mädchen. Ihre Stimme klang angespannt.
»Er studierte in der Gilde«, erklärte Gilla. Dann blickte das Mädchen auf, und Lalo erschrak, als er in ihrem Gesicht nackte Angst sah.
»Sabellia sei gepriesen. Vielleicht können die
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