Absender unbekannt
Sein riesiges Gesicht lief an wie eine überreife Tomate, und einen Augenblick lang sah er fast harmlos aus. Fast. „Hör auf“, sagte er, „du bringst mich in Verlegenheit.“
Im Büro kochte ich einen Kaffee, um die Wirkung des Wodkas zu neutralisieren, während Angie die Nachrichten auf dem Anrufbeantworter abhörte.
Die erste kam von unserem letzten Auftraggeber, Bobo Gedmenson, Inhaber von Bobo’s Yo-Yo Chain, einer Discokette für Jugendliche unter 21, und einigen Stripschuppen in Saugus und Peabody mit Namen wie „Tropfende Vanille“ und „Goldener Honig“. Nachdem wir Bobos ehemaligen Geschäftspartner aufgespürt und den Grossteil des veruntreuten Geldes zurückgebracht hatten, stellte Bobo nun plötzlich unsere Tarife in Frage und behauptete, er sei ein armer Schlucker.
„Leute gibt’s…“, schüttelte ich den Kopf.
„Scheißdreck“, stimmte mir Angie zu, während Bobo mit einem Piepston endete.
Ich überlegte mir, Bubba mit dem Geldeintreiben zu beauftragen, als die zweite Nachricht ablief: „Hallo. Dachte nur, ich wünsche euch beiden ordentlich Glück für den neuen Fall und so weiter. Schätze, er ist großartig. Ja? Wir bleiben in Verbindung!“ Ich sah Angie an. „Wer war das denn?“
„Ich dachte, du wüsstest das. Ich kenne keine Engländer. „ „Ich auch nicht.“ Ich zuckte mit den Achseln. „Vielleicht verwählt?“ „Viel Glück für den neuen Fall? Hört sich an, als wüsste er, wovon er spricht.“
„Hörte sich der Akzent nicht irgendwie unecht an?“
Sie nickte. „Als hätte einer zuviel Monty Python geguckt.“ „Kennen wir einen, der Dialekte nachmacht?“
„Ich nicht.“
Als nächstes kam die Stimme von Grace Cole. Im Hintergrund konnte ich die seufzenden Geräusche der Menschen in der Notaufnahme hören, wo sie arbeitete.
„Ich habe gerade tatsächlich zehn Minuten Kaffeepause, deshalb versuche ich, dich zu erreichen. Ich bin bis mindestens morgen früh hier, aber du kannst mich morgen Abend zu Hause anrufen. Du fehlst mir.“
Es piepste, und Angie fragte: „Und? Wann ist die Hochzeit?“ „Morgen. Wusstest du das nicht?“
Sie lächelte. „Du bist ihr verfallen, Patrick! Das weißt du doch, oder?“
„Wer sagt das?“
„Ich und alle deine Freunde.“ Ihr Lächeln wurde etwas schwächer. „Ich habe noch nie gesehen, dass du eine Frau so angesehen hast wie Grace.“
„Und wenn es so ist?“
Sie sah aus dem Fenster auf die Strasse. „Dann wünsche ich dir viel Kraft“, sagte sie sanft. Sie versuchte, wieder zu lächeln, doch gelang es ihr nicht. „Ich wünsche euch beiden nur das Beste.“
4
Am Abend saßen Angie und ich gegen zehn Uhr in einem kleinen Cafe auf der Prince Street und erfuhren von Fat Freddy Constantine mehr über Prostatabeschwerden, als wir je hatten wissen wollen. Freddy Constantines Cafe auf der Prince Street war ein kleiner Laden in einer engen Strasse. Die Prince Street erstreckt sich von der Commercial zur Moon Street durchs gesamte North End und ist wie die meisten Strassen in dieser Gegend so schmal, dass man kaum ein Fahrrad hindurchschieben kann. Als wir ankamen, war die Temperatur draußen auf dreizehn Grad gefallen, doch auf der Prince Street saßen Männer nur mit T-Shirts oder Muskelshirts und kurzärmeligen Hemden bekleidet vor den Restaurants und Kneipen, lehnten sich in ihren Stühlen zurück, rauchten Zigarren oder spielten Karten und lachten plötzlich laut auf, wie es nur Menschen tun, die sich ihrer Umgebung sicher fühlen.
Freddys Cafe war nur ein winziger, dunkler Raum mit zwei kleinen Tischen vor der Tür und vier Tischen innen auf dem schwarz-weiß gefliesten Boden. An der Decke drehte sich träge ein Ventilator und blätterte in den Seiten einer Zeitung auf dem Tresen, während Dean Martin irgendwo hinter dem schweren schwarzen Vorhang vor dem Hinterausgang ein Lied schmetterte.
An der Eingangstür fingen uns zwei junge Burschen mit schwarzem Haar, im Fitnessstudio gestählten Körpern und rosa Shirts mit VAusschnitt und Goldkettchen ab.
Ich fragte: „Habt ihr ein Versandhaus, wo ihr alle eure Klamotten bestellt?“
Der eine fand die Bemerkung so witzig, dass er es besonders gut mit mir meinte, als er mir mit dem Handrücken so hart zwischen Brustkorb und Hüften schlug, dass ich den Eindruck hatte, sie würden sich irgendwo in der Mitte treffen. Wir hatten unsere Knarren im Auto gelassen, deshalb nahmen sie uns die Portemonnaies ab. Das gefiel uns nicht, aber den Türstehern war das egal, und bald führten
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