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Absender unbekannt

Absender unbekannt

Titel: Absender unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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saß unbeweglich da, und es war unmöglich zu sagen, ob er uns zusah oder nicht.
„Beseitigung ehemals belebter Gewebezellen!“ wiederholte Freddy prustend. Er warf Jack einen Blick zu und
merkte, dass der den Witz noch nicht verstanden hatte.
„Scheiße, Jack, geh dir mal bisschen Verstand kaufen,
hm?“
Jack blinzelte, Kevin beugte sich vor, und Pine drehte den Kopf leicht zu ihm herum. Freddy sah aus, als hätte er nichts davon bemerkt.
Er wischte sich die Mundwinkel mit einer Leinenserviette ab und schüttelte dann langsam den Kopf. „Wenn ich das den Typen im Club erzähle! Sie tragen vielleicht den Namen Ihres Vaters, Angela, aber Sie sind eine echte Patriso. Keine Frage.“
Jack fragte: „Patriso?“
„Ja“, entgegnete Freddy. „Das ist Mr. Patrisos Enkelin. Wusstest du das nicht?“
Wusste Jack nicht. Es schien ihn zu stören. „Gib mir eine Zigarette, Kev!“ sagte er.
Kevin beugte sich über den Tisch und zündete ihm eine Zigarette an. Sein Ellenbogen befand sich ungefähr einen Zentimeter von meinem Auge entfernt.
„Mr. Constantine“, begann Angie von neuem, „unsere Klientin möchte nicht über die Sachen Buch führen, die Ihr Geschäftspartner für beseitigenswert hält.“
Freddy hob seine fleischige Hand. „Worüber reden wir hier eigentlich?“
„Unsere Klientin glaubt, sie hätte Mr. Hurlihy verärgert.“
„Was?“ fragte Jack.
„Erklären!“ befahl Freddy. „Sofort!“
Das taten wir, jedoch ohne Diandras Namen zu nennen. „Also“, fasste Freddy zusammen, „Kevin vögelt irgendeine Schlampe, und die erzählt dieser Psychologin irgendeinen Schwachsinn über – verstehe ich das richtig? – über eine Leiche oder so, und Kevin regt sich etwas auf und ruft sie an und macht einen kleinen Aufstand.“ Er schüttelte den Kopf. „Kevin, willst du was dazu sagen?“
Kevin sah Jack an.
„Kevin“, mahnte Freddy.
Kevin wandte den Kopf.
„Hast du eine Freundin?“
Kevins Stimme klang, als rasselten Glassplitter durch einen Motor. „Nein, Mr. Constantine.“
Freddy blickte Jack an, und beide lachten.
Kevin sah aus, als habe man ihn dabei erwischt, wie er bei einer Nonne Pornohefte kaufte.
Freddy wandte sich an uns: „Wollt ihr mich hier verarschen?“ Er lachte noch lauter. „Bei allem Respekt für Kevin, aber er ist nicht unbedingt ein Freund der Frauen, wenn ihr wisst, was ich meine.“ Angie erklärte: „Mr. Constantine, bitte verstehen Sie uns, wir haben uns das nicht ausgedacht.“
Er beugte sich vor und tätschelte ihr die Hand. „Angela, das behaupte ich ja auch nicht. Aber ihr seid verarscht worden. Dieses Weibsbild behauptet, Kevin hätte sie bedroht wegen seiner Freundin? Ach, kommt!“
„Und dafür habe ich ein Kartenspiel sausenlassen?“ rief Jack. „Für diesen Scheiß?“ Er schnaubte und wollte sich erheben.
„Setz dich hin, Jack!“ befahl Freddy.
Auf halber Höhe hielt Jack inne.
Freddy blickte Kevin an. „Sitz, Jack!“
Jack setzte sich.
Freddy grinste uns an. „Haben wir das Problem gelöst?“ Ich griff in die Innentasche meiner Jacke, um das Foto von Jason Warren herauszuholen. Augenblicklich schoss Kevins Hand in seine Jacke, und Jack lehnte sich im Stuhl zurück, während Pine leicht das Gewicht verlagerte. Freddy ließ meine Hand nicht aus den Augen. Ganz langsam zog ich das Foto heraus und legte es auf den Tisch.
„Das hat unsere Klientin gestern mit der Post erhalten.“
Freddy zog eine seiner schnurrbartförmigen Augenbrauen in die Höhe. „Und?“
„Und“, erklärte Angie, „wir dachten, es könnte eine
Nachricht von Kevin sein, mit der er unserer Klientin zeigen will, dass er ihre Schwächen kennt. Jetzt glauben wir das natürlich nicht mehr, wissen aber auch nicht weiter.“ •
Jack nickte Kevin zu, der die Hand daraufhin aus der Jacke zog. Wenn Freddy das bemerkt haben sollte, zeigte er es nicht. Er blickte auf das Foto von Jason Warren und nippte an seinem Kaffee. „Der Junge, ist das der Sohn von eurer Klientin?“
„Meiner ist es jedenfalls nicht“, erwiderte ich.
Langsam hob Freddy den riesigen Kopf und sah mich an. „Wer bist du überhaupt, du Arschloch?“ Die eben noch warmen Augen schienen nun so kalt wie Eispickel zu sein. „Sprich nie wieder in diesem Ton mit mir! Verstanden?“
Mein Mund fühlte sich plötzlich an, als hätte ich einen Wollpullover verschluckt.
Kevin unterdrückte ein Kichern.
Freddy griff in die Falten seiner Jacke, ließ mich jedoch nicht aus den Augen, während er ein in Leder gebundenes Notizbuch

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