Absolute Power (Der Präsident)
der dritte Tag in dem Job war und er zum erstenmal den Anwälten der Firma die Post auslieferte, war Martin besonders bemüht, die Aufgabe rasch und sorgfältig zu erfüllen. Martin war einer von zehn Botenjungen, die von der Firma beschäftigt wurden, und er bekam bereits den Druck seines Vorgesetzten zu spüren, er möge doch sein Arbeitstempo erhöhen. Nachdem er vier Monate, nur mit einem Magisterdiplom für Geschichte der Universität Georgetown bewaffnet, auf der Straße zugebracht hatte, sah Martin als einzigen Ausweg ein Studium der Rechtswissenschaften. Und gab es einen besseren Ort, um die Möglichkeiten einer solchen Karriere auszuloten, als die angesehenste Anwaltskanzlei in Washington? Außerdem lehrten ihn die unzähligen Vorstellungsgespräche, daß man gar nicht früh genug damit beginnen konnte, Verbindungen zu knüpfen.
Er warf einen Blick auf seinen Belegungsplan mit den Namen der Anwälte in Kästchen, die das jeweilige Büro darstellten. Martin hatte den Plan vom Schreibtisch in seiner Kabine genommen und nicht bemerkt, daß eine überarbeitete Version unter der fünftausendseitigen Schlußakte einer multinationalen Transaktion begraben lag, die er heute nachmittag noch mit einem Inhaltsverzeichnis zu versehen und zu binden hatte.
Als er um die Ecke bog, hielt er inne und schaute auf die geschlossene Tür. Alle Türen schienen heute geschlossen zu sein. Er nahm das Päckchen des Federal Express zur Hand, überprüfte den Namen auf der Karte und verglich ihn mit der gekritzelten Handschrift auf dem Adreßetikett des Pakets. Die Namen stimmten überein. Dann betrachtete er den leeren Namensschildhalter und zog verwirrt die Augenbrauen hoch.
Er klopfte, wartete einen Augenblick, klopfte abermals und öffnete danach die Tür.
Der Raum war ein einziges Chaos. Überall verstellten Kartons den Boden, die Möbel standen kreuz und quer. Dokumente lagen auf dem Schreibtisch. Sein erster Gedanke war, bei seinem Vorgesetzten nachzufragen. Vielleicht lag ein Fehler vor. Er blickte auf die Uhr. Schon zehn Minuten zu spät. Hastig griff er zum Telefon und wählte die Nummer seines Vorgesetzten. Keine Antwort. Da erblickte er das Foto der Frau auf dem Schreibtisch. Groß, rothaarig, überaus teuer gekleidet. Es mußte das Büro des Mannes sein. Wahrscheinlich zog er gerade ein. Wer verließ schon ein derart prachtvolles Büro? Mit dieser Überzeugung legte Fred das Päckchen vorsichtig auf den Sessel am Schreibtisch, damit es auch bestimmt nicht übersehen werden konnte. Auf dem Weg nach draußen zog er die Tür zu.
»Es tut mir leid wegen Walter, Sandy. Aufrichtig leid.« Jack betrachtete den Ausblick auf die Skyline. Er befand sich in einem Penthouse im Nordwesten von Washington. Allein die Wohnung mußte unglaublich teuer gewesen sein, doch auch in die Einrichtung waren zweifelsohne Unsummen geflossen. Wohin Jack auch blickte, überall entdeckte er Originalgemälde, weiches Leder und Skulpturen. Er sagte sich, daß es nicht viele Sandy Lords auf Erden gab, und die wenigen mußten schließlich irgendwo leben.
Lord saß am Feuer, das angenehm im Kamin knisterte. Die mächtige Gestalt war in einen weiten Seidenmorgenmantel gehüllt, die bloßen Füße steckten in bequemen Lederpantoffeln. Kalter Regen prasselte gegen die breite Fensterfront. Jack trat näher an das Feuer; sein Verstand schien den Flammen gleich zu hüpfen und zu tänzeln. Ein vereinzelter Funke sprang auf die Marmoreinfassung, flammte auf und verglühte rasch. Jack griff nach seinem Glas und wandte sich seinem Gastgeber zu.
Der Anruf war nicht völlig unerwartet gekommen. »Wir müssen uns unterhalten, Jack, je eher, desto besser für mich. Aber nicht im Büro.«
Als Jack eintraf, nahm Lords alternder Hausdiener ihm Mantel und Handschuhe ab und zog sich danach in die hinteren Bereiche der Wohnung zurück.
Die beiden Männer befanden sich in Lords mahagonigetäfeltem Arbeitszimmer, einem Zufluchtsort, der männlichen Bedürfnissen entgegenkam und auf den Jack wider Willen neidisch war. Flüchtig tauchte das Bild der riesigen Villa vor seinem inneren Auge auf. Sie verfügte über eine Bibliothek, die diesem Arbeitszimmer ähnelte. Nur mühevoll gelang es Jack, die Aufmerksamkeit wieder auf Lord zu richten.
»Ich bin im Arsch, Jack.« Die ersten Worte aus Lords Mund brachten Jack beinahe zum Lächeln. Man mußte die Offenheit dieses Mannes einfach schätzen. Doch er riß sich zusammen.
Der Klang in Lords Stimme gebot einen gewissen
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