Absturz
Als Kind träumten Sie zu sein wie … – … mein Vater. Wie Kierkegaard seinen habe ich meinen Vater im Grunde für den lieben Gott gehalten. Diesem kleinen Irrtum verdanke ich das ganze Glück meines Lebens, auch heute noch, wo der (mich) liebe(nde) Gott längst wieder im Himmel unten ist. Denn das is mein Credo: Der zweite und letzte Himmel ist unten, nicht oben! Der Himmel ist, wenn wir nicht mehr sind. Der Himmel ist, wo wir sind, wenn wir nicht mehr sind. Der Himmel ist in der Erde.
Welches Tier wären Sie am liebsten? , fragte der Redakteur. Ich wäre am liebsten gar kein Tier, dachte ich, sagte es aber nicht, sondern antwortete: Ich habe ohnehin eines in mir, eine fürchterliche Bestie. Manchmal trifft sie sich mit den inneren Tieren anderer Menschen und führt Schweinereien auf. Bevor ich meine Bestie äußerln führe, nehme ich sie natürlich an die Leine.
Ihr Lebensmotto? Leben heißt: Ein Beispiel geben.
Auf welche Leistung sind Sie besonders stolz? Dass ich nie in Konkurs gegangen bin. Dass ich nie Schulden hatte. Dass ich nicht beim Militär war. Dass ich keinen Wecker benütze. Dass ich keine Krawatten trage. Aber man soll eigentlich gar nicht stolz sein.
Was würden Sie gerne erfinden? Eine Zeitmaschine. Aber ich arbeite ja seit vielen Jahren daran, und ein paar Zeitmaschinen sind mir auch schon gelungen.
Wie schalten Sie am besten ab? Wen oder was sollte ich denn abschalten? Mich? Ich habe keinen Waffenschein.
Ihr bisher schönster Lustkauf? Das Brandenburger Tor. Ich habe es am Berliner Pariser Platz in einem Souvenirladen im Maßstab eins zu tausend um fünf Euro bekommen – und es war das Exponat Nummer hundert meines eigenen Privatminimundus. Aber auch der Kauf meines Amsterdamer Red-Light-District-Teehäferls am Damrak um vier Euro (Nummer fünfzig meiner Teehäferlsammlung) hat mich wahnsinnig erregt.
Jeder Mensch hat einen Tick. Ihrer? Die Gralssuche.
Was finden Sie an einer Frau erotisch? Die Stimme. Die Augen. Die Pupillen. Das Lachen. Den Blick. Die Lippen. Die Haare. Die Haut. Die Ohrläppchen. Den Hals. Die Schultern. Die Oberarme. Die Unterarme. Die Hände. Die Fingerspitzen. Die Brüste. Den Bauch. Die Hüften. Den Po. Den heiligen Gral. Die Beine. Die Knie. Die Waden. Die Fesseln. Die Knöchel. Die Zehen. Und die Stilettos.
Ihre drei Lieblingskünstler? In der Literatur: Fernando Pessoa. Miguel de Unamuno. Sir Arthur Conan Doyle. In der Malerei: Franz Wiegele. Edward Hopper. Ex aequo Franz Sedlacek und Georg Scholz. In der Musik: Verdi. I Nomadi. Gianna Nannini. Und. Und. Und.
Mit welchem bekannten Menschen würden Sie gern einen Abend verbringen? Ich habe lange nachgedacht, und mir fällt niemand ein. Bekannte Menschen sind mir zu anstrengend.
Mit welchem auf gar keinen Fall? Ich hab nicht lange nachgedacht, und mir fällt ein ganzer Haufen ein.
Welche politische Idee sollte in diesem Land am meisten forciert werden? Der Aufbruch des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Hier ist der Mensch eh ein bisserl spät dran.
Was mögen Sie an sich besonders? Nicht viel. Aber zumindest freut es mich, dass ich genau das tue, was ich immer tun wollte: Bücher schreiben. Und es gibt sogar eine Menge Menschen, die diese Bücher lesen. Das empfinde ich noch immer als ein großes Wunder.
Was mögen Sie an sich gar nicht? Eine ganze Menge. Vor allem meine Schüchternheit und Menschenangst, aber auch meine Faulheit, Verzagtheit, Selbstdisziplinlosigkeit, meine beiden linken Hände, meine depressiven Schübe, meine aggressiven Schübe, meine Blutwerte und mein Mortalitätsrisiko. Und manchmal rutschen mir in meinem Übermut Dinge heraus, die mir später leidtun.
Welchen Traum wollen Sie sich erfüllen? Ich möchte an meinem fünfzigsten Geburtstag mit meiner Familie und Freunden in Cascais am Atlantik sitzen und meinen Kindern (mein) Lissabon zeigen.
Was wäre Ihre Henkersmahlzeit? Zwanzig Marlboro, zwanzig HB , zwanzig Gauloises und eine Melange.
Was sollte in Ihrer Grabrede gesagt werden? Gar nichts. Lieber ein paar Aphorismen von mir selber aus meinen Büchern. Und ganz am Ende Fotoromanza von Gianna Nannini.
Sie treffen Gott: Ihre erste Frage an ihn? Mein Vater, mein Vater, warum hast du mich verlassen?
Die letzte Frage des Originalfragebogens der Frankfurter Allgemeinen lautete übrigens: »Wie möchten Sie sterben?« Die hat man hier im Zeitgeistmagazin natürlich weggelassen. Metaphysik ist ja unerwünscht, vor
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