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Abtruennig

Abtruennig

Titel: Abtruennig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Dungs
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nach ihr um, als ich meinem Verbündeten durch die dunkle Gasse folgte, doch ich spürte ihren Blick, bis wir über die Dächer der umliegenden Gebäude verschwunden waren.
    In den Nachrichten hieß es hinterher, dass die Teenager auf einer Schulreise von Unbekannten entführt worden waren. Die Lehrerin wurde ebenfalls angeblich vermisst, so bezeichneten es zumindest die Fernsehsender, aber ich wusste bereits, dass sie längst tot war. Ich hatte sie begraben. Wir waren zu spät gekommen, die Abtrünnigen hatten sie vor uns erwischt.
    Wenigstens war mir die Genugtuung geblieben, dass wir den drei Kindern das Leben retten konnten. Die Medien veröffentlichten die Information, dass alle Kinder unter Schock standen. Die beiden Jungen litten zudem noch unter einer besonders schweren Form von Amnesie. Keiner der Teenager wusste noch etwas aus dieser Nacht. Genauer gesagt, wussten sie überhaupt nichts mehr, selbst ihre Namen hatten sie vergessen. Peters Gabe war gnadenlos, sie löschte einfach alles aus.
    Nur eine hatte ihr Gedächtnis behalten dürfen und ich wusste nicht, warum ich bei ihr eine Ausnahme gemacht hatte. Sie war die Einzige, die sich an alles erinnern konnte, aber sie hatte anscheinend nichts verraten. Seltsamer kleiner Engel. Ich konnte nur hoffen, dass sie mich vergessen würde und alles, was geschehen war. Um ihretwillen. Letztendlich sollte es mir egal sein. Es musste mir egal sein. Ich würde ohnehin keinen der Sterblichen jemals wieder sehen, das hatte ich zumindest gedacht.
    Zehn Jahre sollten vergehen, bis ich eines Besseren belehrt wurde.

1. Auf den zweiten Blick

    Es war ein kühler und wolkenverhangener Oktobermorgen, als ich mir meinen Weg durch die unentwegt plappernden Studentenmassen bahnte. Letzte Nacht war lang gewesen, aber wenigstens hatte es sich gelohnt. Ich hatte zwei Neuankömmlinge zur Strecke gebracht, die eine Blutspur durch das Universitätsviertel von Cambridge geplant hatten. Bis zum Sonnenaufgang war ich unterwegs gewesen. Als Mensch hätte mir der massive Schlafentzug sicherlich schwer zu schaffen gemacht, aber ich war kein Sterblicher mehr. Als Vampir brauchte ich in der Regel keine Ruhe um mich zu regenerieren, dafür sorgte einzig und allein die Nahrungsaufnahme. Die Abtrünnigen hatten mir in der letzten Nacht – wie so oft – auch als Energiequelle gedient.
    Ich fühlte mich blendend und war sogar motiviert ein paar Vorlesungen wahrzunehmen, wenn ich diese Wahl gehabt hätte, doch ich war nun einmal kein Student dieser Uni. Das Claire College stand erst seit kurzer Zeit unter meiner Obhut. Ich blieb vor dem Haupttrakt stehen und betrachtete die edle Fassade im Renaissance-Stil, die das vordere Gebäude zierte. Sie allein ließ bereits erahnen, wie privilegiert diejenigen sein mussten, die hier tatsächlich einen Studienplatz ergattert hatten. Diesen Luxus hätte ich mir durchaus leisten können, aber ich gehörte nicht zu den Menschen hier, auch wenn ich unter ihnen wandelte, so hielt ich mich stets im Hintergrund. Als Vampir durfte ich nicht auffallen. In den meisten Fällen beachteten uns die Leute auch nicht wirklich und wenn wir es wollten, waren wir regelrecht unsichtbar. Ein unabdingbarer Vorteil, denn den vielen Sagen und Ammenmärchen zum Trotz: nicht jeder Vampir war mit Schönheit gesegnet. Zu damaligen Zeiten galt ein blasses Erscheinungsbild vielleicht als vornehm, heute wurde man entweder als Gothicfreak betitelt oder als Stubenhocker abgetan. Es traf weder das eine, noch das andere auf mich zu, deswegen war ich froh, in England zu sein. Es herrschten fast ideale Bedingungen für unsereins. Zugegeben es regnete nicht so häufig, wie man durch die weit verbreiteten Gerüchte hätte erwarten können, aber an den meisten Tagen war es bewölkt, und das reichte schon aus, damit wir uns unerkannt unter den Menschen aufhalten konnten. Die meisten Sterblichen hier waren also nicht bedeutend gebräunter als unsereins.
    Meine Sinne waren auch heute wieder bis aufs äußerste geschärft, als ich die Treppen des Hauptgebäudes betrat. Eine Gruppe von fünf tuschelnden Mädchen kam mir entgegen und sie warfen mir ein paar verstohlene Blicke zu. Sie gingen wohl davon aus, dass ich einer von ihnen war. Durch die Unsterblichkeit hatte sich mein Äußeres tatsächlich kaum verändert. Mein dunkelbraunes Haar war noch immer voll und ungebändigt, es reichte mir bis zum Kinn und ich ließ es meistens locker in meine Stirn fallen. Ich wollte dadurch meine Augen weitestgehend

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