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Abtruennig

Abtruennig

Titel: Abtruennig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Dungs
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nicht auf Vermutungen. Kein wirklicher Trost.
    Ich versuchte meine Gedanken zu sammeln und starrte erneut das junge Mädchen vor mir an. Ihre tiefblauen Augen musterten mich und in ihnen lag soviel Wissen und Verstand. Abermals bückte ich mich, aber dieses Mal blieb ich etwas auf Abstand.
    „ Wie heißt du?“
    Sie zögerte. Ihre Angst vor mir war regelrecht greifbar. Natürlich, ich war ein Vampir und sah in diesem Moment auch noch so aus. Meine Zähne wirkten vielleicht wieder normal, aber die Iris meiner Augen glühte noch immer in einer unmenschlichen Schattierung.
    „ Lesley.“
    Ihre Antwort war eigentlich nur ein Flüstern, aber es vibrierte in meinen Adern. Sie musste ein Engel sein! Ihre langen, dunklen Locken umrahmten das bildschöne, wenn auch äußerst bleiche Gesicht. Sie wirkte wie eine Figur aus einem Gemälde, detailgetreu auf Leinwand gebannt, wie aus vergangenen Zeiten. Dichte Wimpern zierten ihre ohnehin schon großen Augen und ihre vollen Lippen wirkten geradezu verführerisch. Ich konnte gar nicht glauben, dass sie erst elf oder zwölf Jahre alt sein sollte. Sie würde zweifellos unzähligen Männern das Herz brechen, wenn sie erst einmal erwachsen war.
    Ich musste mich regelrecht dazu zwingen, um endlich wieder aufzustehen. In meinem Kopf brachen urplötzlich so viele Bilder auf mich ein, dass ich Mühe hatte, sie wieder zurück zu drängen.
    Peter nahm den beiden anderen Teenagern ihr Gedächtnis. So wie jedes Mal und er würde bei ihr das Gleiche tun. Wieso verursachte mir dieser Gedanke auf einmal solches Unbehagen? Es war schließlich immer dieselbe Prozedur und eine bessere Alternative als diesen unschuldigen Kindern das Leben zu nehmen.
    Lesley streckte auf einmal ihre kleine Hand nach mir aus, sie musste ein wenig nach vorne rücken, um mich zu erreichen. Ich ließ es einfach geschehen. Sie berührte ganz vorsichtig meine rechte Hand, die ihr am nächsten war. Ihre warme Haut traf auf meine und schlagartig durchfuhr mich ein eigenartiges Gefühl. So etwas hatte ich noch niemals zuvor empfunden. Es war wie eine Art Stromschlag, ein kurzes Prickeln auf meinen Fingern, das sich bis zu meinem Unterarm hinaufzog. Ich weiß nicht, ob sie etwas Ähnliches empfand, aber ihre Finger zogen sich augenblicklich wieder von mir zurück. Ihre leuchtenden Augen fixierten mich mit einer Mischung aus Faszination und Furcht. Was passierte hier?
    „ Das wäre erledigt. Jetzt nur noch sie, dann können wir von diesem Ort verschwinden.“
    Peter stand plötzlich neben mir. Ich hatte ihn anscheinend gar nicht bemerkt. War ich so abgelenkt gewesen? Was hatte dieses dünne Mädchen bloß an sich, das mich so faszinieren konnte?
    „ Nicholas?“
    Ich schüttelte meinen Kopf und drehte mich zu Peter.
    „ Nicht nötig“, hörte ich mich auf einmal selbst sagen. „Sie wird sich ohnehin nicht mehr daran erinnern.“
    „ Wie bitte?“
    Er sah mich mit hochgezogenen Brauen an.
    „ Du brauchst ihr nicht das Gedächtnis zu nehmen.“
    „ Das ist gegen die Regeln, Nicholas!“
    „ Ich weiß“, sagte ich knapp und setzte mich in Bewegung.
    „ Das kann ich nicht tun. Du weißt was passiert, wenn die Ältesten davon erfahren.“
    Ich fuhr zu ihm herum.
    „ Ich sagte, du lässt es bleiben! Sie werden nichts davon erfahren. Wir gehen – jetzt!“
    Ich war derjenige, der entschied, was wir taten.
    Er presste seine Zähne hörbar aufeinander.
    „ Wieso?“, fragte er und deutete mit seinem Schwert auf das Mädchen. Die Kleine saß noch immer zu unseren Füßen.
    Wieder sog ich die kühle Luft ein.
    „ Ich weiß es nicht, aber irgendetwas sagt mir, dass es das Richtige ist.“
    So banal es klang, es war die Wahrheit, auch wenn die Stimme in meinem Kopf fassungslos war.
    Peter schüttelte den Kopf und ein tiefer Seufzer kam aus seiner Kehle.
    „ Ich habe bisher nicht ein einziges Mal deine Entscheidungen in Frage gestellt.“
    Das Kodachi verschwand wieder unter seinem Mantel.
    „ In diesem Fall glaube ich allerdings, dass es ein Fehler sein wird, mein Freund.“
    „ Dann werde ich dafür die Konsequenzen tragen“, entschied ich düster.
    „ Wie du willst...“
    Peter ging an mir vorbei ohne den Menschen oder mir noch einmal einen Blick zu schenken.
    Ein letztes Mal drehte ich mich um und musterte das kleine Mädchen. Ihre großen Augen ruhten noch immer auf mir. Ich lächelte kurz, obwohl mir klar war, dass sie das nicht wirklich beruhigen würde, doch es war wie eine Art Reflex.
    Ich sah mich nicht mehr

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