Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Acacia

Titel: Acacia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
Vom Netzwerk:
und vor sich das südwärts bis zum Horizont reichende Waldland, die ganze Szene ein Spiel von Farben, der düstere Wald vom Sonnenfeuer mit einem Leuchten überhaucht, während Adler darüber wachsame Kreise zogen. Noch nie sei er sich seiner Einsamkeit so bewusst und gleichzeitig so stolz auf seine Ahnen gewesen. Aus diesem Land war sein Volk hervorgegangen. Es war wild und abweisend, und doch von seinem Fleisch und Blut. Von diesem Wald aus seien die Menschen zur Südküste vorgedrungen und hätten Aushenia gegründet. Die Wölfe und Bären hätten sie hinter sich gelassen und ihren rechtmäßigen Platz als Hüter des Landes eingenommen. Dies war etwas, was er mit allen Ausheniern gemeinsam habe.
    »Ihr solltet es sehen«, sagte er.
    »Das würde ich wirklich gern tun«, erwiderte Corinn. »Sagt, dass Ihr mich mitnehmen werdet, und ich gehe mit Euch. Ihr könnt auf mich aufpassen, in Eurem wilden Land. Ihr könnt für mich jagen und mich vor den Bären und anderen wilden Tieren beschützen. Die Welt braucht uns nicht zu scheren.«
    Igguldan hatte feuchte Hände. Es fiel ihr auf, als er sie losließ und kühle Luft die Feuchtigkeit berührte. Was hatte sie da eben gesagt? Sie wollte das wirklich, doch es war ein so großes Unterfangen, dass sie es nicht gänzlich zu fassen vermochte. Vielleicht war es ein absurder Irrtum; sie wusste es nicht zu sagen. Jedenfalls war Corinn sich sicher, dass Igguldan, indem er ihr seine Hand entzog, auch ihr Angebot ausschlug. Sie wartete darauf, dass er ihr dies zu verstehen gab.
    Der Prinz tastete in seiner Brusttasche herum und zog einen kleinen, mit Wachs versiegelten Umschlag hervor. »Das habe ich für Euch geschrieben«, sagte er. »Ich war mir nicht sicher, ob ich den Mut aufbringen würde, es Euch zu geben. Ich bin mir immer noch nicht sicher... aber ich tue es trotzdem.« Er drückte ihr den gefalteten Umschlag in die Hand und schloss ihre Finger darum.
    »Was ist das?«
    »Ihr werdet es sehen, wenn Ihr es lest, aber wartet noch damit. Lest es später.« Er stand auf und zog sie ebenfalls auf die Beine. »Jetzt müssen wir uns dieser Herausforderung stellen. Corinn, ich würde Euch sehr gern mein Land zeigen und all das wahr machen, was Ihr gesagt habt, aber dies ist nicht der richtige Zeitpunkt. Mein Vater hat mich heimgerufen, weil uns Krieg droht. Ich muss ihm gehorchen. Und Ihr, Ihr müsst tun, was der Kanzler von Euch verlangt. Bestimmt hat er recht.« Er brachte Corinns Protest zum Schweigen, indem er sie bei den Armen fasste, ein fester Griff zunächst, doch dann wurde eine Liebkosung daraus. »Bitte, Corinn. Lasst mich erst meinem Vater und dem Andenken an den Euren dienen. Danach werde ich kommen, um Euch zu holen. Werdet Ihr mich dann empfangen? Ich muss wissen, dass ich für Euch kämpfe. Dann werde ich unbesiegbar sein.«
    Es gelang Corinn zu nicken. Igguldan drückte sein Gesicht an ihres, seine erhitzte Haut fühlte sich glatt und weich an. Er hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Dann wandte er sich ab und schritt energisch zur Tür.

22

    Rialus Neptos floh aus Cathgergen, nachdem die Festung, wie er später behaupten würde, mehrere Tage lang belagert worden war. Seine letzte Handlung bestand darin, dass er alle möglichen harten, schweren Gegenstände - den Stuhl, eine Vase mit Kupferblumen, einen Briefbeschwerer in Form eines Eisbären, eine alte Axt, welche die Aushenier seinem Vater geschenkt hatten - gegen das Glasfenster schleuderte, das ihn so schmählich verraten und lächerlich gemacht hatte. Es zerschellte zwar nicht in zahllose Scherben, wie er es sich gewünscht hatte, doch es splitterte und bekam Risse, sodass er sich sagen konnte, er habe zumindest ein Zeichen gesetzt. Ob die Botschaft an die Scheibe selbst gerichtet war, an jemanden, der sie später betrachten würde, oder gar an ihn selbst, darüber machte er sich keine Gedanken. Als er sich davonmachte, wurde er von dem kleinen Gefolge von Beamten, Höflingen und Familienangehörigen begleitet, das er in dem Gouvernement Mein hatte halten können - nur jene, die so sehr in seiner Schuld standen, dass er sich ihres Stillschweigens sicher sein konnte. Die Numrek, die er hinter sich zurückließ, flößten ihm tatsächlich keinen geringeren Schrecken ein, als er vorgab. Soweit er erkennen konnte, besaßen nur wenige seiner Amtsbrüder genug klaren Verstand, um auf den Gedanken zu kommen, der Gouverneur selbst könne bei dem Unheil, das über sie hereingebrochen war, seine Hand mit im Spiel

Weitere Kostenlose Bücher