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Acacia

Titel: Acacia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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nicht stellen. Also tat sie es nicht. Jedenfalls so lange nicht, bis die Welt in einer Gestalt zu ihr kam, von der sie sich nicht abwenden wollte.
    Zunächst vernahm sie aus dem Vorzimmer gedämpftes Gebrüll, einen Knall, als irgendein großer Gegenstand umfiel, und dann das rasche Tappen von Absätzen auf dem Steinboden. Sie dachte sich nicht genug dabei, um sich von ihrem großen, weichen Bett zu erheben. Als etwas gegen die Tür prallte, hob sie lediglich den Kopf und blickte verschlafen zum Eingang hinüber. Doch als die Tür aufsprang, wurde ihr endlich klar, dass sich da jemand nicht abweisen lassen wollte.
    Durch die aufspringende Tür kam Igguldan ins Zimmer getaumelt und wäre beinahe der Länge nach hingeschlagen. Er rutschte ein Stück auf den Knien, richtete sich mit einer heftigen Drehung auf und stürmte noch ein paar Schritte in das Gemach hinein. Hinter ihm zwängten sich mehrere Wachen herein. Sie waren so begierig, seiner habhaft zu werden, dass sie einen Moment lang in der Türöffnung stecken blieben und fluchend aufeinandereinschlugen, die Schwerter unbeholfen weggestreckt, um sich nicht selbst zu verletzen. Igguldans Blicke huschte hastig durch das Zimmer. Schließlich entdeckte er Corinn, die am Fußende des Betts stand, eine Hand aufs Herz gedrückt. Er machte einen kleinen Schritt auf sie zu und blieb dann stehen. Die Wachen, die sich endlich aus ihrem Knäuel befreit hatten und auf ihn einstürmten, hielten inne. Sie standen da, sahen die beiden jungen Menschen an und wussten nicht, was sie tun sollten.
    »Prinzessin Corinn«, sagte Igguldan. »Bitte verzeiht mir mein Eindringen. Es ist schrecklich von mir, ich weiß, aber ich musste Euch sehen. Ich musste nachsehen, ob Ihr wohlauf seid und...«
    Einer der Leibwächter unterbrach ihn. Auch er setzte dazu an, die Prinzessin um Vergebung zu bitten, zu erklären, der Prinz sei an ihnen vorbeigestürmt, ohne auf ihre Aufforderungen zu achten, er möge stehen bleiben. Corinn schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab. »Lasst uns allein«, sagte sie.
    Als die Wachen hinausgegangen waren, fing Igguldan von neuem an, sich zu entschuldigen. Die Prinzessin wehrte ab. Er erkundigte sich nach ihrem Befinden und sprach ihr sein Beileid aus, doch Corinn bat ihn abermals, damit aufzuhören. Einen Augenblick lang stand er da, als müsse er entscheiden, was er zu sagen hatte. Dann sprach er es unumwunden aus. »Ich bin nach Aushenia zurückgerufen worden«, sagte er. »Ich glaube, mein Vater fürchtet um mein Leben. Außerdem scheinen ihn noch andere Dinge zu beunruhigen, Truppenbewegungen im Norden. Ich habe nur einen sehr knappen Befehl bekommen, durch einen Botenvogel. Aber ich muss aufbrechen, Corinn.« Nach kurzem Zögern setzte er hinzu: »Ich will Euch nicht so verlassen.«
    Corinn rang nervös die Hände; sie war sich nicht sicher, weshalb sie ihn überhaupt empfangen hatte. Ihr war klar, dass sie ungepflegt aussah, das Haar wirr und ungewaschen, in einem zerknitterten Gewand. Sie blickte zu Boden und deutete mit der Hand auf etwas außerhalb des Gemachs, in der Hoffnung, dass er den Blick von ihr abwenden würde. »Es kommt mir so vor, als wäre die Welt aus den Fugen geraten.«
    »Das ist sie auch, mehr, als Ihr Euch vorzustellen vermögt. Die ganze Insel ist in Aufruhr. Stündlich laufen Schiffe zum Festland aus oder treffen von dort ein. In Alecia tagen ununterbrochen die Gouverneure. Der Pakt zwischen unseren Ländern ist nicht offiziell, doch es scheint, als wollten die Gouverneure uns als Verbündete gewinnen. Es geht das Gerücht, Cathgergen werde von einer Armee belagert. Euer Bruder setzt sich mannhaft mit alldem auseinander. Ihr könnt stolz auf ihn sein, wenngleich er sich in einer seltsamen Lage befindet - nicht mehr Prinz, aber auch nicht wirklich König.«
    Corinn erkundigte sich, wann er abzureisen beabsichtige. Er antwortete, er würde bei Sonnenaufgang nach Alecia in See stechen. Dort würden sie Würdenträger an Bord nehmen, mit denen sein Vater sich zu beraten wünsche, und direkt nach Aushenia weitersegeln. Weitere Einzelheiten nannte er nicht, doch während sie schweigend über seine Reise nachsannen, konnte Corinn nicht umhin, jede kummervolle Meile zu spüren, die er sich von ihr entfernen würde. Sie dachte an das kalte Wasser, in dem der Prinz so gerne schwamm, an die wogende, dicht bewaldete Hügellandschaft, die er beschrieben hatte. Wie schön musste es sein, zwischen diesen mächtigen Bäumen hindurchzureiten. Sie

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