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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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innerer
Spannung, ohne dass er weiß, warum. Im Lauf des Tages wird er
sich irgendwann Zeit dazu nehmen müssen, auf Amsterdams
Märkten irgendein wildes T-Shirt aufzutreiben. Oder aber er
findet einen willfährigen Diener wie Draculas Renfield, der ihm
irgendwo Klamotten besorgt. Eigentlich müsste er auch mal wieder
ein Fitness-Studio aufsuchen und trainieren, aber die Zeit hat er
nicht. Seine Brille erinnert ihn daran, dass er sechs Stunden hinter
dem Zeitplan liegt und die Zeit dringend wieder hereinholen muss.
Zähne und Gaumen tun ihm weh, und seine Zunge fühlt sich an
wie ein mit Agent orange überzogener Waldboden. Er spürt,
dass gestern irgendetwas falsch gelaufen ist, kann sich aber nicht
daran erinnern, was.
    Währender sich die Zähne putzt, geht er im
Schnellleseverfahren einen Band mit neuer Pop-Philosophie durch.
Danach sucht er im Netz die Blogs eines Servers, der allgemeine
Kommentare zu bestimmten Themen anbietet. Immer noch ist er zu
genervt, um die tägliche Vor-dem-Frühstück-Routine
durchzuziehen und sein morgendliches Blabla auf die Story-Board-Site
zu stellen. Sein Gehirn ist nach wie vor umnebelt, als wäre es
ein Skalpell, an dem zu viel Blut klebt. Was er jetzt braucht, ist
ein Stimulus – Aufregung, Reiz des Neuen. Egal, das kann bis
nach dem Frühstück warten. Als er die Schlafzimmertür
öffnet, tritt er fast auf einen kleinen, feuchten Pappkarton,
der auf dem Teppich liegt.
    Ähnliche Päckchen hat er schon früher gesehen. Doch
dieses hier ist weder mit Briefmarken noch mit einer Adresse
versehen. Nur sein Name steht darauf, in großer, kindlicher
Handschrift. Er kniet nieder und hebt es sachte auf. Es hat
ungefähr das passende Gewicht. Als er es hin und her wendet,
verlagert sich irgendetwas im Innern. Das Ding stinkt. Ebenso
vorsichtig wie wütend nimmt er es mit ins Zimmer, öffnet es
und sieht seine schlimmsten Vermutungen bestätigt: Das Gehirn
ist chirurgisch seziert worden, das Innere wie ein gekochtes Ei
daraus entfernt.
    »Verdammte Scheiße!«
    Es ist das erste Mal, dass dieser Verrückte bis zu seiner
Schlafzimmertür vorgedrungen ist. Das wirft die beunruhigende
Frage auf, wie weit er noch gehen wird.
    Manfred bleibt einen Augenblick stehen und beauftragt irgendwelche
Agenten im Netz, Statistiken über Festnahmen ausfindig zu
machen, außerdem Verbindungen zur Polizei, Informationen
über die einschlägige Rechtsprechung und die
niederländischen Gesetze gegen Tierquälerei. Er ist sich
nicht sicher, ob er tatsächlich zwei-eins-eins über die
altmodische Telefonleitung anwählen oder es besser lassen
soll.
    Aineko, die seine Angst spürt, versteckt sich unter der
Kommode und miaut kläglich. Normalerweise würde er sich
eine Minute Zeit nehmen und das verängstigte Geschöpf
beruhigen, aber das geht jetzt nicht. Schon Ainekos bloße
Gegenwart ist ihm plötzlich sehr unangenehm, bezeugt seine
eigene Unzulänglichkeit. Seine Katze wirkt allzu realistisch, so
als wäre die neuronale Karte des anderen, toten Kätzchens
im Plastikschädel Ainekos gelandet. Bestimmt hat jemand das
Kätzchen gestohlen, um es für dubiose Uploading-Experimente
zu verwenden. Er flucht noch einmal, sieht sich um und
entschließt sich dann zum einfachsten Schritt: Jeweils zwei
Stufen auf einmal nehmend, macht er sich auf den Weg nach unten,
gerät auf dem Treppenabsatz des zweiten Stockwerks ins Stolpern
und rennt bis zum Frühstücksraum im Keller, um dort sein
unveränderliches morgendliches Ritual hinter sich zu
bringen.
    Am Frühstück ändert sich nie etwas. Mögen sich
auch Kontinente neuer Technologien herausbilden, bleibt es inmitten
aller Aufwerfungen eine Insel, in der die Zeit stillsteht.
Während er sich einen Aufsatz über allgemein
zugängliche Steganografie und falsche Netz-Identitäten von
Parasiten reinzieht, nimmt er mechanisch eine Schüssel mit
Cornflakes und Dickmilch zu sich. Später holt er sich Nachschlag
vom Büffet: Vollkornbrot und Scheiben eines seltsamen
holländischen Käses, der mit Samenkörnern gespickt
ist. Vor sich hat er eine Tasse starken schwarzen Kaffees stehen, die
er halb austrinkt, ehe er merkt, dass er nicht allein am Tisch sitzt,
sondern ein Gegenüber hat. Als er gleichgültig aufblickt,
erstarrt er innerlich.
    »Morgen, Manfred. Wie fühlt man sich denn so, wenn man
der Regierung zwölf Millionen dreihundertzweiundsechzigtausend
neunhundertsechzehn Dollar und einundfünfzig Cent
schuldet?«
    Sie lächelt wie Mona Lisa – voller Zuneigung,

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